Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter
Wunder, wenn die Kinder missrieten! Mein Vater indes war stets das Unschuldslamm: »Was, soll das dem Manfred seine Tochter sein? Kann ich mir gar nicht vorstellen!«
Das Gerichtsurteil und die Vernehmungsprotokolle, die ich gelesen habe, haben mich zutiefst verunsichert, was meine Haltung zu meiner Mutter angeht. War sie in Wahrheit vielleicht ganz anders gewesen, als ich sie sah? Hatte sie vielleicht nicht weniger gelitten als ich? Hatte sie mir vielleicht sogar – wenn auch auf sehr unzulängliche Weise – zu helfen versucht, und ich hatte es nur nie bemerkt?
Eines Tages, wenn ich Kraft genug in mir verspüre, werde ich ihr selbst diese Fragen stellen. Ob sie es dann endlich – zum ersten Mal in ihrem Leben – schafft, sich so zu mir zu bekennen, dass ich es merke?
Nachdem mein Vater meiner Mutter plausibel gemacht hatte, dass nur ein Partnertausch ihrer Ehe noch aufregende sexuelle Impulse geben könne, beschlossen sie, sich auf entsprechende Anzeigen in einem einschlägigen Kontaktmagazin zu melden.
In späteren Jahren entdeckten wir Kinder mehrmals von meinen Eltern selbst verfasste Anzeigentexte, die stets auf »Paare oder Einzelpersonen für zärtliche Stunden« gemünzt waren. Auf Inserate dieser Art erhielten meine Eltern stets so viele Zuschriften, dass tagelang der Briefkasten überquoll. Uns während der Abwesenheit unserer Eltern neugierig auf die Suche machend, entdeckten wir im Schlafzimmer zuhauf Briefe mit Fotos nackter oder in Leder gekleideter Männer und Frauen. Viele boten sich in Ekel erregenden Posen dar.
Zu der Zeit, als ich meinen Vater anzeigte, besaß er ganze Ordner solcher Fotos sowie selbst geschossener Aktbilder – auch solche, auf denen er mit mir zu sehen war. Meine Brüder genossen es, diese Ordner durchzublättern, sich die erotischen Videos unserer Eltern reinzuziehen oder die Pornohefte zu verschlingen, die stapelweise herumlagen.
Sobald meine Eltern die eingegangenen Zuschriften in aller Ruhe geprüft hatten, luden sie einige Leute ein. Solchen Besuchern gegenüber zeigten sie sich immer sehr großzügig. Während wir Kinder hinter unserer Zimmertür saßen und nicht einmal die Nasenspitze herauszustecken wagten, verwöhnten meine Eltern ihre Gäste mit allem, was das Haus zu bieten hatte. Im Anschluss an einen ersten Schnuppernachmittag trafen meine Eltern dann ihre Auswahl.
Vor Gericht tat mein Vater so, als habe es sich bei diesen sexuellen Kontakten ausschließlich um solche mit anderen Ehepaaren gehandelt. Ich selbst entsinne mich jedoch, dass um das Jahr 1976 herum überwiegend einzelne Männer zu uns kamen. Diese verblieben häufig mit meiner Mutter allein im Wohnzimmer, oder aber sie zogen sich gemeinsam mit ihr und meinem Vater ins Schlafzimmer zurück. Von dort aus drangen dann bald das schreckliche Schreien und das Schmerzgestöhne meiner Mutter ins Kinderzimmer.
Oft, wenn wieder mal ein fremder Mann im Schlafzimmer meiner Eltern war, lauschten Boris und Georg heimlich an der geschlossenen Tür und schauten durch das Schlüsselloch. Sie berichteten zwar, was sie beobachtet hatten: der Fremde, der auf Mama herumturnte; Papa mit dem Fotoapparat ... Aber keiner von uns begriff, was das alles zu bedeuten hatte.
Gerade dieses Nichtverstehen war wohl der Grund dafür, dass wir begannen, das, was wir gesehen hatten, in unseren Spielen nachzustellen. Vater, Mutter, Kind – das war bald unser Lieblingsspiel. Immer war Boris der Vater, Georg das Kind und ich die Mutter. Egal, ob wir selbst schauspielerten oder Playmobil-Figuren benutzten – die Rollenverteilung und Spielregeln blieben stets die gleichen. Die Mutter musste tun, was der Vater wollte; und das Kind gehorchte der Mutter. Schlug der Vater die Mutter, prügelte diese das Kind. Im Bett hatte die Mutter stöhnend unter dem heftig »turnenden« Vater zu liegen. Zuvor oder danach musste das Kind die Mutter streicheln. Ging das Kind zu Bett, kam der Vater und wühlte unter der Bettdecke des Kindes herum.
Nur wenn ich in Abwesenheit meiner Brüder mit den Figuren spielte, war ich bereit, das Kind und den Vater darzustellen. Dann tat der Vater dem Kind zwischen den Beinen weh und sprach mit böser Stimme von dem gemeinsamen Geheimnis.
Eine besondere Note erhielt die Szenerie, wenn Stefan, der damals »schon« zwölf Jahre alt war, sich einmal dazu herabließ, mit uns Kleineren mitzuspielen. Dann verglichen Stefan und Boris ihre Pimmel miteinander und verlangten, dass ich diese streichelte, bis sie steif
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