Monk - 03
vorstellen, um den Willen der Gewerkschafter zu brechen?«, fragte mich Stottlemeyer. »Eine Stunde mit ihm in einem Zimmer, und sie erschießen entweder ihn oder sich selbst.«
Das Rathaus von San Francisco war kurz nach dem Erdbeben von 1906 errichtet worden, um aller Welt zu zeigen, dass die Stadt wieder da war – größer, stärker und prachtvoller als je zuvor.
Der spektakuläre Beaux Arts -Stil des Gebäudes, die dorischen Säulen und die barocke kupferne Kuppel sollten dafür sorgen, dass man das Bauwerk niemals für etwas anderes als ein Kapitol hielt. Als wäre die Kuppel nicht schon grandios genug, befinden sich auf ihr auch noch ein kunstvoll verzierter Spitzturm sowie eine Fackel.
Mir ist das Gebäude immer grell und pompös vorgekommen, nie majestätisch und beeindruckend. Aber ich schätze, es passt zu einem Ort, an dem in erster Linie Politiker und Bürokraten untergebracht sind.
Als ich im Büro des Bürgermeisters stand, kam ich mir vor wie in einem Aquarium. An den Wänden hingen Tarpune, Schwertfische und Doraden, die Mäuler weit aufgerissen. Draußen arbeiteten zwei Fensterputzer und spähten hinter Smitrovich in den Raum. Jetzt fehlten nur noch eine Meerjungfrau und eine Burg, dann wäre die Illusion perfekt gewesen.
»Es ist mir eine große Freude, Sie endlich persönlich kennenzulernen, Mr Monk«, begrüßte er uns und kam um den Tisch herum, um ihm die Hand zu schütteln. »Ich bin ein großer Fan von Ihnen.«
Wortlos gab ich Monk ein Tuch.
»Tatsächlich?«, erwiderte er und wischte sich die Hand ab.
»Ich weiß Ihren unermüdlichen Einsatz im Namen dieser Stadt wirklich zu schätzen.«
»Jetzt bin ich aber erleichtert. Ich dachte bereits, Sie würden alle meine Briefe ignorieren«, sagte Monk. »Es wird Zeit, dass jemand die Lombard Street zur geradesten Straße der Welt macht. Als kurvenreichste Straße der Welt ist sie eine Schande für die Stadt.«
»Sie wollen die Lombard begradigen ?«, fragte der Bürgermeister.
»Wer auch immer diese Straße genehmigt hat, sollte mit seiner Reißschiene verprügelt werden. Zum Glück hat man dem Typen rechtzeitig das Handwerk gelegt, sonst würde jede Straße in der Stadt wie die Lombard aussehen. Ich bin überrascht, dass noch niemand versucht hat, sie zu begradigen.«
»Sie wissen ja, wie das ist, Mr Monk«, sagte Smitrovich. »Es gibt so viele andere wichtige Dinge, um die wir uns kümmern müssen.«
»Und was zum Beispiel?«
»Nun«, erwiderte der Bürgermeister, »genau deshalb habe ich Sie hergebeten.«
»Sie wollen also die Lombard nicht begradigen?«
»Noch nicht.«
»Ich weiß, dass eine Minderheit aus verrückten Hippies und Beatniks sich dagegen zur Wehr setzen wird, aber ich stehe hundertprozentig hinter Ihnen.«
»Das höre ich gern, denn ich brauche jetzt wirklich Ihren Rückhalt und Ihre Unterstützung«, fuhr der Bürgermeister fort. »Ich sehe, dass Sie mit dieser wundervollen Stadt die gleiche tiefe Liebe verbindet wie mich.«
»Solange die Lombard nicht begradigt wird, kann San Francisco keine wundervolle Stadt sein«, widersprach Monk. »Großartig wäre eine Stadt mit der geradesten Straße der Welt. Überlegen Sie doch nur, wie viele Touristen kommen würden, um die neue Lombard zu sehen.«
»Es kommen doch schon Millionen von Touristen, um die Lombard Street zu sehen«, wandte der Bürgermeister ein.
»Ja, um sich über uns lustig zu machen«, sagte Monk. »Was glauben Sie, woher der Spruch von den verrückten Amerikanern kommt? Von der Lombard Street. Begradigen Sie die Straße, und niemand wird das je wieder sagen.«
»Nun, im Moment macht es mir mehr Sorge, dass so wenige Polizisten zum Dienst erschienen sind. Die meisten Männer aus dem Patrouillendienst gehen zwar Streife, aber die Detectives und andere Vorgesetzte kommen nicht zur Arbeit«, erklärte der Bürgermeister. »Die öffentliche Sicherheit ist massiv gefährdet. Uns fehlt das Personal, um schweren Straftaten nachzugehen, und Sie wissen ja selbst, wie entscheidend die ersten achtundvierzig Stunden sind. Mögliche Spuren sind schnell verwischt, deshalb muss dringend etwas unternommen werden. Vor allem, wo dieser Würger auch noch sein Unwesen treibt. Die Polizei hätte sich für diesen Mist keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können.«
»Sie könnten Ihre Forderungen aufgeben, die Gehälter und die Sozialleistungen zu kürzen«, schlug ich vor. »Ich möchte wetten, dann würden die Detectives ganz schnell wieder zur Arbeit
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