Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden
aber ich war hungrig. Im Food and Fuel gibt's keine große Auswahl an Food, und ich hatte nicht die Zeit, woanders einzukaufen.» Er beäugte ihre Aufmachung. «Du siehst aus wie ein Baum.»
«Mit dieser Ehrlichkeit findet du nie eine Frau.» Sie kramte in der Tüte und klatschte ihm eine Kirschtasche auf den Tisch.
«Wenn du dich eh mit Zucker und Fett vergiften willst, dann verzichte wenigstens auf die Konservierungsstoffe. Wusstest du etwa nicht, dass die Russen Twinkies benutzt haben, um Stalin zu konservieren?» Roadrunner grinste sie hinterlistig an und griff zur Kirschtasche. «Danke, Annie. Du siehst aus wie ein hübscher Baum.»
«Nein, nein zu wenig, zu spät.»
«Wo sind denn die anderen alle?»
«Harley ist mal eben runter zur Liquor World, um was Alkoholisches gegen seinen Kater zu besorgen. Grace ist mit ihm gegangen.»
«Wie geht es ihr?» Annie klickte mit der Zunge gegen die Zähne. «Okay, glaub ich, in Anbetracht der Umstände. Aber sie will nicht weg.» Roadrunner reagierte bestürzt. «Aber wir müssen hier weg.
Darüber waren wir uns alle einig.»
«Wir waren uns einig. Grace war nur einverstanden, dass wir uns treffen und darüber reden, sonst nichts. Sie wird hier nicht weggehen, Roadrunner. Sie will diesmal nicht davonlaufen.»
«Mann, Annie, er steht doch bereits vor ihrer Hintertür.
Daran gibt es doch keinen Zweifel, oder? Das ist der Kerl er ist wieder da. Und schon ganz schön nah. Großer Gott, sie darf nicht bleiben.»
«Beruhige dich. Ich hab mit Mitch gesprochen. Er ist auf dem Weg hierher. Wenn wir alle beisammen sind, finden wir schon einen Weg, sie zu überreden.» Ein paar Minuten später kam der Aufzug angerumpelt, und Mitch stieg aus. Er blickte wirr in die Gegend und sah schlimmer aus, als man ihn je gesehen hatte.
«Mein Gott, Mitchell, was ist denn mit dir los?», fragte Annie.
Mit offenem Mund starrte er sie an. «Soll das ein Witz sein?
Meinst du, abgesehen davon, dass ein Killer hinter Grace her ist, die Firma kurz vor dem Bankrott steht und wir alle verschwinden müssen, um irgendwo wieder ganz von vorne anzufangen?»
«Genau abgesehen davon.» Mitch ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug die Hände vors Gesicht. «Mist. Ich hab Diane erzählt, dass wir überlegen, von hier fortzugehen, und sie ist ausgerastet. Ihr könnt euch vorstellen, was das für sie bedeuten würde, oder? Sie müsste zu malen aufhören. Sie hat gerade den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht, ihre Bilder hängen überall auf der Welt, und jetzt soll sie auf einmal vom Erdboden verschwinden und das alles aufgeben?» Sie blieben einen Moment lang stumm. Roadrunner war es, der schließlich das Wort ergriff. «Weißt du, Mitch … du musst doch gar nicht mitkommen. Du bist verheiratet. Du hast Verpflichtungen, die wir anderen nicht haben. Für dich sollte deine Familie an erster Stelle stehen.» Mitch sah ihn entgeistert an. «Das hier ist meine Familie. Ist schon immer meine Familie gewesen. Wenn Grace geht, wenn ihr anderen geht, gehe ich auch.» Er presste die Handballen in die Augen. «Ich fass es einfach nicht, was das alles für eine verfluchte Scheiße ist. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein.
Ich hab Diane versprochen, heute nicht herzukommen. Ich hab ihr mein verdammtes Wort gegeben. Und kaum war sie zur Galerie gefahren, hab ich mich davongeschlichen wie ein kleiner Junge, VERDAMMT!»
«Nun beruhige dich doch, Mitch», sagte Roadrunner. «Sonst kriegst du noch einen Herzschlag.»
«Das Glück hab ich bestimmt nicht. Jedenfalls kann ich nicht lange bleiben. Ich muss vor Diane wieder zu Hause sein.
Wo sind eigentlich Grace und Harley?» Der Fahrstuhl wurde gerufen und machte sich auf den Weg nach unten. «Das sind sie», sagte Annie. Und bevor sie hier oben ankommen, solltest du wissen, dass Grace gesagt hat, sie will nicht fortgehen.» Eine Art Vollversammlung wie diese hatten sie schon einmal gehabt, erinnerte sich Grace. Nur standen damals die anderen um ihr Krankenhausbett in der Psychiatrie des Atlanta General.
Sie war noch jung gewesen, vor Angst fast durchgedreht und gleichzeitig weit weggetreten durch die Tranquilizer, die aus dem Tropf in ihre Vene rannen. Das Bild, wie Libbie Herold auf der anderen Seite der Wandschranktür verblutete, wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. In jenem damaligen Zustand wäre sie wahrscheinlich gehorsam mit Hitler in seinen Bunker gegangen, wenn er es ihr aufgetragen hätte.
Doch diesmal war es anders.
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