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Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Titel: Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PJ Tracy
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seine massige Silhouette hinderte die letzten Strahlen Tageslicht, durchs Fenster ins Büro zu fallen. «Wir treffen uns bei dir. Ich muss erst noch einkaufen.»
    «Wir könnten doch in eine Bar gehen.»
    «Heute ist der Vierundzwanzigste, Mike.»
    «Ich weiß …» Halloran verstummte abrupt. «Oh, Scheiße, Bonar. Ich hab's völlig vergessen. Tut mir Leid, Mann, wirklich.»
    «Schon gut.» Bonar besaß ein trauriges und gleichzeitig albernes Grinsen, das alles verzieh. «Wir haben langsam zu viele Tote im Oktober, findest du nicht auch?»
    «Wohl wahr.»    
    Die Tote hättest du nun wirklich nicht vergessen dürfen, sagte sich Halloran eine halbe Stunde später, als er in seine Einfahrt bog. Er blieb einen Augenblick im Wagen sitzen, kostete seine Schuldgefühle voll aus und hätte sich fast gewünscht, er wäre noch gläubig, damit er zur Beichte gehen könnte, um sich die Absolution erteilen zu lassen.
    Eigentlich war Bonar Junggeselle, aber genau genommen musste man ihn als Witwer bezeichnen, und zwar seit Oktober 1987, als seine High-School-Freundin bei einem Schneesturm von der Straße abgekommen war und die Schnauze des Pickups ihres Vaters in Haggertys Sumpf gesetzt hatte. Fast ein Meter Schnee war in den folgenden 48 Stunden gefallen, aber die Straße bei Haggertys Land war nur sehr wenig befahren, und es dauerte schließlich ganze vier Tage, bis jemand mit dem Schneepflug bei der Unglücksstelle angekommen war und die gefrorenen, nicht sonderlich ansehnlichen sterblichen Überreste von Ellen Hendricks entdeckt hatte.
    Sie war nicht sofort gestorben, und das machte die Sache besonders schlimm, denn sie hatte die Zeit genutzt, einen Brief an Bonar zu schreiben, der den gesamten freien Rand der Standard-Oil-Straßenkarte von Wisconsin ausfüllte. Sie hatte Schmerzen gehabt und gefroren, aber aus ihren Zeilen sprach nicht die geringste Angst, denn sie war sich absolut sicher gewesen, dass Bonar sie finden würde. Sie schrieb von der bevorstehenden Hochzeit, von den drei Kindern, die sie haben würden, von dem zweitürigen Thunderbird, den Bonar unbedingt gegen ein anderes Auto eintauschen musste, weil er nicht genügend Platz für die Kinder bot. Und am Schluss, als die Bleistiftzeilen immer ungelenker wurden, tadelte sie ihn in aller Liebe, dass er so lange brauchte.
    Sie schrieb jene letzten Worte am 24. Oktober, und seither hatten Halloran und Bonar alljährlich diesen Abend gemeinsam verbracht, hatten gegessen, getrunken und nicht über Dinge gesprochen, die hätten anders sein können. Diese Tradition war im Laufe der Zeit eher ein Teil ihrer Freundschaft geworden, als dass sie etwa nur dem bewussten Andenken an ein junges Mädchen gegolten hätte, das vor langer Zeit gestorben war.
    Doch auf eine Weise, die sie nie zu hinterfragen suchten, war das Datum wichtig geblieben. Er hätte es niemals vergessen dürfen.
    «Na ja, die verdammten Schlüssel hättest du auch niemals vergessen dürfen», sagte er laut und schlug mit der Handkante so lange aufs Lenkrad, bis er den Schmerz nicht mehr ertragen konnte.
    Hundert Jahre alte Ulmen warfen ihre Schatten auf das Stück Land, das ihm von der Farm seines Urgroßvaters noch geblieben war. Er hatte das Haus, den Hof und den Garten instand gehalten, aber das alte Gebäude im holländischen Kolonialstil wirkte wie umzingelt von diesem neuen Siedlungsgebiet mit den kitschigen Kletterrosen und den SplitLevel-Häusern. Das Haus war für einen Mann allein viel zu groß, aber vier Generationen der Hallorans waren darin aufgewachsen, und er konnte sich nicht überwinden, es zu verkaufen.
    Er stieg aus dem Wagen und ging über den Rasen zur Eingangstür. Dabei raffte er den Kragen seiner Jacke enger zusammen, denn seit er vor kurzem das Sheriffbüro verlassen hatte, war der Wind stärker geworden, und trockene Blätter tanzten um seine Stiefel und wirbelten fort ­ wahrscheinlich nach Florida, wenn sie schlau waren. Man konnte den bevorstehenden Winter beinahe schon riechen. Und wie sich Halloran jetzt erinnerte, hatte sein junger Deputy Danny am Tag zuvor auch frühe Schneefälle vorausgesagt, als sie gemeinsam zu einem Einsatz gefahren waren, der Danny den Tod bringen sollte.
    Er betrat den kleinen Vorflur und hörte seine von Schnee bedeckten Kinderstiefel auf dem Boden poltern, und dann ertönte die Stimme seiner Mutter, die inzwischen bereits seit zehn Jahren verstummt war. Sie ermahnte ihn, die Tür hinter sich zu schließen, was er sich denn dachte? Ob er etwa

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