Monkeewrench - 03 - Mortifer
der Hecke gepackt hatte. Sie hatte sich augenblicklich versteift – er wusste, wie sich das anfühlte. Wie wenn man einen verwundeten Vogel aufhebt und er voller Todesangst in der Hand erstarrt –, doch später hatte sie angefangen um sich zu schlagen, und … hatte er sich irgendwo den Kopf angeschlagen, oder was? Er hatte eine vage taktile Erinnerung an etwas Warmes, Klebriges, das über seine Wange lief, und dann nichts mehr.
»Los, reden Sie!«, zischte die Frau, die ihn verhörte. »Wie sind Sie hierher gekommen?«
Sie hat noch immer Angst, dachte Lee. Und Leute, die Angst hatten, waren gefährlich. Er tastete nach seiner Waffe und geriet in Panik, als er feststellte, dass das Halfter leer war. »Ich hatte Feierabend und war auf dem Weg nach Hause. Hab an einer Straßensperre gehalten, die nicht dort hätte stehen dürfen. Der Soldat, der sie bewacht hat, schoss auf mich, sobald ich ihm den Rücken zuwandte.«
»Wie sind Sie entkommen?«
Er drehte den Kopf in Richtung der neuen Stimme. »Ich habe ihn erschossen«, sagte er leise und tonlos und mit einem leichten Zittern in der Stimme.
Das Zittern beruhigte Grace ein wenig. Es klang danach, dass er tatsächlich einen der Soldaten erschossen hatte und dass Töten nichts war, was er regelmäßig machte.
Sie tastete sich ihren Weg zum Waschbecken, ließ Wasser in die hohle Hand laufen und trank, dann ging sie direkt neben dem Verwundeten in die Hocke und sah ihm in die Augen, soweit man das in der Dunkelheit überhaupt konnte. Sie konnte nur das Weiße seiner Augen ausmachen. »Wir wissen nicht, wem wir vertrauen können.«
Er lächelte fast. »Willkommen im Club. Sind Sie ebenfalls ein Kingsford Deputy?«
»Nein, nur Sharon kommt aus Kingsford. Annie und ich sind aus Minneapolis.«
Irgendetwas machte in Deputy Lees Kopf Klick, und er versuchte sich darauf zu konzentrieren. »Scheiße«, murmelte er zu sich selbst. »Drei Frauen in einem Range Rover.«
Grace stockte der Atem. »Woher wissen Sie das?«
»Die Highway Patrol hatte einen Suchauftrag nach drei Frauen in einem Rover aus Minnesota. Ich dachte, es ginge um drei reiche Hausfrauen, die sich auf dem Heimweg vom Shoppen verfahren haben oder so.« Sein Blick ging zu Grace’ Waffe. »Aber ich glaube nicht, dass alle Hausfrauen aus Minnesota mit solchen Kanonen durch die Gegend laufen.«
»Sicher tun sie das«, sagte Grace, weil er nichts anderes verdient hatte nach seinen Vorurteilen. Sie zögerte, dann dachte sie: Ach, zur Hölle. Wenn sie ihm alles erzählten und er sich als einer der Bösen herausstellte, dann würde sie ihn danach eben erschießen. Also fingen sie an zu berichten, die ganze Geschichte. Die Autopanne, die verlassene Ortschaft, der Mord an dem jungen Paar mitten auf der Straße vor dem Café, doch als sie zu dem Massengrab auf der Koppel und den Dingen kam, die sie beim See belauscht hatten, unterbrach Lee ihren Redefluss.
»Warten Sie, warten Sie bitte einen Augenblick.« Er hielt seinen Kopf mit beiden Händen, während er versuchte, das Gehörte zu verdauen. »Wollen Sie mir erzählen, dass diese Gruppe von Irren mit irgendeinem Gas versehentlich die ganze verdammte Ortschaft ausgelöscht hat und dass sie jetzt noch mehr Leute töten, damit es nicht auffliegt? Ist Ihnen eigentlich klar, wie verrückt das klingt?«
Grace verlor augenblicklich die Geduld. »Sie Volltrottel! Einer von ihnen hat auf Sie geschossen. Er hat Sie am Kopf verwundet. Es hätte nicht viel gefehlt, und Sie wären tot. Glauben Sie vielleicht, das war ein Unfall?«
Er funkelte sie an, weil sie ihn einen Trottel genannt hatte, doch sie hielt immer noch die Pistole in der Hand, also blieb er ruhig und sprach leise und tonlos weiter. »Nein, ich glaube nicht, dass es ein Unfall war, Ma’am. Rechtsradikale Irre, irgendeine Miliz – wir haben weiß Gott genug davon in diesem Staat –, aber Nervengas? Massenmord? Ich habe ein Problem, das zu verdauen.«
»Dann sollten Sie sich besser beeilen mit Ihrer Verdauung«, sagte Grace spitz. »Weil um zehn Uhr nämlich irgendwo im Land noch zwei weitere von diesen Trucks voll mit Nervengas hochgehen sollen.«
Lee hatte Mühe, all die Informationen zu sondieren, die sie auf ihn abgefeuert hatte. Seine Gedanken kollidierten in seinem Kopf wie Autoscooter auf dem Jahrmarkt. Die Kopfschmerzen brachten ihn um. Er war nicht hundertprozentig sicher, dass er im Augenblick seinem eigenen Verstand trauen konnte, doch ein Gedanke trieb nach oben wie Öl auf dem Wasser und
Weitere Kostenlose Bücher