Monkeewrench 04 - Memento
Sampson.
«Lieber Himmel, nein.»
Nach ein paar Sekunden Umherleuchten mit der Taschenlampe hatte Sampson gefunden, was er suchte: eine handgefertigte Holzleiter, die ganz in der Nähe unter losem Heu versteckt lag.
«Woher wussten Sie, dass die da ist?», fragte Iris, als er die Leiter heranschleppte und sie dann gemeinsam mit Neville durch die Falltür nach unten ließ. Sie hätte jede Gelegenheit ergriffen, um nur nicht weiter über das nachzudenken, was Neville in dem Raum unter dem Fußboden gesehen hatte.
«Viele alte Scheunen haben solche tiefen Kellerräume unterhalb der Bodenfrostgrenze. Es musste eine Möglichkeit geben, rein- und wieder rauszukommen.»
Nacheinander stiegen sie die Leiter hinunter. Iris bildete das Schlusslicht. Es überraschte sie selbst, dass sie eigentlich gar keine rechte Angst hatte. Da kletterte sie in eine dunkle Öffnung im Boden hinunter, wo sich ihr ein scheußlicher Anblick bieten würde, und sie war im Grunde nur ein klein wenig nervös.
Der Raum war von Spinnweben durchzogen, die schon so lange dort waren, dass sie fast wie Vorhänge wirkten. Kleine weiße Kügelchen hingen darin und quietschten unter Iris' Stiefeln, als sie von der Leiter auf den Boden trat. «Was ist das?», überlegte sie laut.
«Styropor.» Neville deutete auf die Wände und hob mit dem Fuß einen zerschlissenen Teppich an. «Das Zeug ist überall, auf dem Boden, an den Wänden, an der Decke. Gutes Dämmmaterial, wenn man nichts anderes hat, aber man muss es immer wieder erneuern. Das zerfällt wie nichts.» Dann richtete er die Taschenlampe auf das, was er von oben gesehen hatte. Da lag etwas auf einem alten Metallbett mit einer schimmelnden Matratze, und Iris schnappte nach Luft.
Von dem Menschen, der das einmal gewesen war, war nicht mehr viel übrig. Nackte Knochen leuchteten weißlich im Schein der Taschenlampen, umhüllt von halbzerfallenen Kleiderfetzen. Oben auf dem Schädel entdeckte Iris ein paar dünne Haarbüschel und Reste von vertrocknetem Fleisch, das die Ratten und die Würmer wohl übersehen hatten. Im Grunde sah es aus wie eine Halloween-Requisite aus einem Spukhaus.
Einen Moment lang kniff sie die Augen zu und versuchte, das alles zu begreifen. Sie waren auf der Suche nach einem Mörder und fanden stattdessen eine verweste Leiche in ihrer Scheune. Das passte nicht zusammen, es war nicht zu begreifen. Es war, als würde man in der Schublade nach dem Autoschlüssel suchen und stattdessen einen Elefanten vorfinden: durchaus bemerkenswert, aber man konnte sicher sein, dass man das Auto mit dem Elefanten nicht zum Laufen bekommen würde.
«Lars», sagte Sampson.
Neville sah ihn an. «Glauben Sie?»
«Kann doch sein.» Sampson schob ein paar Spinnweben beiseite und ging durch den Raum, der kaum größer war als Iris' Küche. In einer Ecke stand ein uralter Heizlüfter, es gab ein Bücherregal mit schimmernden Büchern, über die sich die Ratten hergemacht hatten, und erstaunlicherweise auch ein Waschbecken und eine Toilette. «Sogar Sanitäranlagen», murmelte er.
«Und Strom», sagte Iris und leuchtete mit der Taschenlampe auf die einzelne Glühbirne, die in einem Schutzkorb an der Decke hing. Sie sah sich in dem fensterlosen Raum um, musterte die rostfleckige Toilette, das Waschbecken, die traurigen menschlichen Überreste auf dem Bett und den einzigen Ausgang, der von unten ohne Leiter nicht zu erreichen war, und sie erkannte, was das alles einmal gewesen war: ein Gefängnis.
Sie hatte keine Ahnung, was in diesem Raum geschehen war und warum - sie wusste nur, dass sie keinen Augenblick länger hier sein wollte. Und so war sie sehr viel schneller oben, als sie die Leiter hinuntergeklettert war.
Und, Iris, wie war dein Tag? Ach, bestens, danke. Erst hatten wir eine blutige Leiche in einem Schneemann, dann hat sich ein Mörder bei mir zu Hause versteckt, und zwar während ich schlief, und dann - Überraschung! - finden wir noch ein menschliches Skelett in meiner Scheune...
Sampson und Neville waren ebenfalls nach oben gekommen und hatten die Falltür hinter sich geschlossen. Sampson hatte das Handy am Ohr, lauschte eine Weile und klappte es dann energisch zu. «In Bitterroot ist an einer Stelle der Zaun durchtrennt worden, sie wissen nicht, wann es passiert ist. Offenbar hat der Eissturm alle Kameras und Bewegungsmelder lahmgelegt. Wir müssen hin.»
KAPITEL 26
Als Iris Rikker Magozzi von der Fahrt nach Bitterroot anrief, um ihn über den zerschnittenen Zaun und die
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