Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
Vom Netzwerk:
oben in das Gästezimmer, in dem sie immer schlief, wenn sie alle die halbe Nacht durcharbeiteten, und steckte sie ins Bett. «Ich muss duschen», sagte Grace, als sie schon halb unter der Decke lag.
    «Duschen kannst du morgen.»
    «Gebt ihr Charlie sein Fressen?»
    «Aber klar. Schlaf jetzt.»

KAPITEL 24
    D on Kardon saß auf einem umgedrehten Ködereimer auf dem Pier vor seinem Büro, trank sein Bier und lauschte dem Geräusch der Palmwedel, die im warmen, sanften Nachtwind wie Plastikfolie knisterten. Es roch leicht nach Jasmin und Salz, die Wellen unter ihm schwappten sanft und sangen ihr wässriges Wiegenlied. Vor ihm beschrieben die verschwommenen Lichter der Boote, die im Hafen vor Anker lagen, Schlangenlinien auf dem Wasser, voll Sehnsucht nach den Abenteuern des dunklen Atlantiks hinter ihnen.
    Don lachte leise in sich hinein. Die wenigsten Leute hätten vermutet, dass ehemalige Knastbrüder so poetisch waren und über duftenden Jasmin nachdachten oder über das Spiel der Lichter auf dem Wasser. Aber da täuschten sie sich. Ein rundum hässliches Leben brachte einen ja erst in den Knast, und dort war es längst nicht vorbei mit der Hässlichkeit, es wurde sogar noch schlimmer. Wenn man dann schlau war und Schwein hatte und lebend wieder rauskam, sah man die Dinge in einem völlig neuen Licht. Kardon war wirklich keine Schönheit, nie gewesen, und manchmal fragte er sich, ob sein Leben vielleicht anders verlaufen wäre, wenn er auf der Schule ein Mädchen abgekriegt hätte. Mehr hätte es wohl gar nicht gebraucht, denn eigentlich war es das, was er sich immer gewünscht hatte: einen Menschen auf dieser Welt, der wirklich mit ihm zusammen sein wollte oder ihn zumindest ein bisschen mochte. Schon komisch. Da ging er auf die fünfzig zu und wusste doch nicht, wie es war, neben einer Frau aufzuwachen, die er nicht bezahlt hatte, oder ein Kind zu haben, das auf ihm herumhüpfte und glaubte, sein Daddy würde jeden Morgen die Sonne aufgehen lassen.
    Er beklagte sich gar nicht – Opfer sein lag ihm nicht. Aber man konnte sich ja trotzdem vorstellen, wie es hätte sein können. Dabei war sein Leben im Moment gar nicht so schlecht. Mit dem Hafen hatte er einiges Geld gemacht, ein ordentliches Stück vom amerikanischen Traum, und er hatte ein paar Freunde, auf die er sich verlassen konnte. Vielleicht war das ja schon genug.
    Da nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung war, und seine schweifenden Gedanken stoppten abrupt. Vielleicht nur ein Hund auf einem der Piers oder ein Opossum auf der Suche nach Abfällen. Vielleicht auch gar nichts. Vielleicht aber doch. Nach zehn Jahren Knast sprachen Kardons Instinkte grundsätzlich für «doch». Wenn man das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war, ignorierte, konnte es einen das Leben kosten, ob nun im Gefängnishof oder im eigenen Vorgarten. Schritte hinter einem, des Nachts auf einer einsamen Straße? Da nahm man besser die Beine in die Hand, selbst wenn man dem Menschen hinter sich damit ein schlechtes Gewissen machte, selbst wenn man als paranoider Schlappschwanz dastand. Auf die leise, warnende Stimme im eigenen Innern musste man hören. Im Knast lernte man das. Und sprach es nicht Bände, dass die Mordrate in Gefängnissen sehr viel niedriger war als in einer vergleichbar großen Bevölkerungsgruppe draußen? Darauf hatte Kardon oft in den Seminaren hingewiesen, die er während seiner Bewährungszeit gehalten hatte, um seine gemeinnützigen Auflagen zu erfüllen.
    Manche Leute hörten auf ihn, und die waren mit Sicherheit noch am Leben. Man musste auf die innere Stimme hören.
    Seit er auf die Keys gezogen war, hörte Kardon diese Stimme allerdings jetzt zum ersten Mal, und so traurig das auch war: Sie machte ihm eine Heidenangst.
    Ein durchdringender Schmerz im Nacken machte ihm klar, dass er wohl schon eine ganze Zeit lang wie erstarrt da saß, den Kopf unnatürlich verdreht, die Augen auf die Stelle gerichtet, wo er die Bewegung wahrgenommen hatte.
    Er sah die schemenhaften Umrisse der Boote, das pink-grüne Neonschild der Kneipe schräg gegenüber. Sonst nichts. Vielleicht waren seine Instinkte ja eingerostet. Vielleicht machte er sich auch selbst verrückt, so wie ein blöder Teenager, der einen Horrorfilm angeschaut hat. Vielleicht aber auch nicht. Kardon hielt die Luft an, richtete den Blick in die Dunkelheit und dachte an den Abend, als John und Grace aufs Meer hinausgesegelt und dann mitten in der Nacht mit laufendem Motor zurückgekommen waren, beide

Weitere Kostenlose Bücher