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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Straßenbahnschienen am Bismarckplatz, doch die Straßenbahnen erreichten ohnehin kaum mehr die Innenstadt, weil sie sich schon in den Außenbezirken an blockierenden Stoßtrupps festfuhren.
    Wurde man dann von der in paramilitärischer Schlachtordnung anrückenden Bereitschaftspolizei in Richtung Amerikahaus abgedrängt, ließ sich eine Teilnahme an den Kundgebungen gegen die USA und den Vietnamkrieg rein physisch gar nicht mehr vermeiden. Und von dort drückte der Pulk hinüber zum Juristischen Seminar, das sich leider zu einem Hort reaktionärer Kräfte entwickelt hatte und deshalb ständig von progressiven Jurastudenten belagert war, die den Ruf nach sozialistischer Erneuerung praktischerweise mit Resolutionen zur Abschaffung des Prüfungsterrors und der freien Wahl von Lehrkräften verbanden.
    Alles hing mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zusammen.
    Trotzdem war sich Gundelach bewußt, daß solche Aktionen nicht gerade eine vorzeigbare Referenz für die Berufung in eine christdemokratische Regierungszentrale bedeuteten. Und die Frage, wie weit das Wissen der von einer Aura der Allmacht und Allwissenheit umgebenen Schloßherren reichte, quälte ihn, bis er nach halbstündigem Warten im Foyer ins Amtszimmer des Ministerialdirigenten Bertsch gerufen wurde.
    Der empfing ihn an der Tür und geleitete ihn freundlich und federnden Schrittes zu einem Ledersofa, das einer schwarz gepolsterten Sitzgruppe zugehörte, deren Mitte ein stählern blinkender Tisch mit schwerer Marmorplatte bildete. Unwillkürlich dachte Gundelach an die kieferfurnierten Aktenschränke seines Landratsamts, und eine tiefe Befriedigung, der wohl auch ein Schuß Schadenfreude beigemischt war, überkam ihn. Ja, es hatte schon seine Ordnung damit!
    Bertsch war nicht allein. Ein schmaler, elegant gekleideter Herr, um etliches älter als der Leiter der Presseabteilung, deutete eine leichte Verbeugung an, ohne sich aus dem Sessel zu erheben. Gundelach verstand vor Aufregung seinen Namen nicht, aber Bertsch war ohnehin dabei, die Anwesenden vorzustellen: Ministerialdirigent Dr. Brendel, Leiter der Personalabteilung, Herr Wickinger, Personalreferent, Herr Bauer, Mitarbeiter meiner Abteilung. Bitte nehmen Sie Platz.
    Gundelach sank ins Sofa. Endlos schien es ihn hinunterzuziehen. Alle anderen dagegen saßen erhöht auf ihren Sesseln. Rechts und links von ihm war nichts als Leere. Er hatte, das war klar, schon jetzt verloren.
    Sie interessieren sich also für die Stelle in meiner Abteilung, begann Bertsch. Die ist in der Tat neu zu besetzen. Aus Ihren Personalunterlagen ergibt sich, daß Sie während Ihres Studiums nebenbei journalistisch gearbeitet haben. Wie lange?
    Ungefähr drei Jahre. Danach ließen mir die Examensvorbereitungen keine Zeit mehr dafür.
    Es handelte sich sozusagen um Extratouren, warf der feingliedrige Dr. Brendel mit sanfter Ironie ein. Sein Personalreferent schmunzelte bewundernd auf eine Akte herab, die er zu Beginn der Vernehmung aufgeschlagen hatte.
    So könnte man es nennen, flüsterte Gundelach verlegen.
    Geschadet hat es Ihnen aber offensichtlich nicht, ergänzte Dr. Brendel. Beide Examina mit Prädikat abgeschlossen, das kann sich doch sehen lassen. Es klang, als wollte er sagen: Kopf hoch, Junge, alles halb so schlimm. Und was haben Sie so geschrieben? fragte Bertsch sachlich.
    Oh, alles, was anlag … Berichte über Jahreshauptversammlungen von Vereinen. Reportagen, mit denen man die Sauregurkenzeit überbrückte, vom Blutspendetermin bis zum Rundflug über der Stadt. Ab und zu eine Rezension über eine Theateraufführung oder eine Vernissage, wenn der Feuilletonredakteur verhindert war …
    Gundelach schämte sich der Provinzialität seiner Antworten.
    In einer Zeitung oder in mehreren?
    Hauptsächlich in der Rheinpfalz. Aber manchmal konnte ich denselben Artikel etwas abgewandelt auch im Konkurrenzblatt unterbringen − das brachte dann doppeltes Zeilenhonorar.
    Die Herren lächelten anerkennend.
    Wir haben uns natürlich ein wenig erkundigt, sagte Bertsch. So lange ist das ja noch nicht her. Man war mit Ihnen offenbar zufrieden und hat Ihren Weggang bedauert. Warum sind Sie eigentlich nicht beim Journalismus geblieben?
    Gundelach war alarmiert. Nachforschungen hatte man betrieben, also doch. Bei wem? Und worüber? Gewiß nicht nur über seine Fähigkeit, mit der Sprache umzugehen. Sollte er jetzt die Flucht nach vorne antreten, die Umstände zu erklären suchen, Jugendsünden beichten, den Zeitgeist bemühen? Oder hatten

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