Monrepos oder die Kaelte der Macht
man versuchen, Schicht für Schicht abzutragen. Am besten wäre es, sofort damit zu beginnen. Zwei, drei große Interviews, für die Verflechtung von Politik und Wirtschaft in einer modernen Industriegesellschaft werbend –.
Ich glaube nicht, daß es reicht, sagte Specht.
Was?
Das Echo auf meine Pressekonferenz. Ich glaub nicht, daß die Wirkung stark genug war, um aus der Sache rauszukommen.
Auf einen Schlag sicher nicht. Aber wir haben Luft bekommen. Die Reaktion der Opposition war schwach, nicht mehr als eine Pflichtübung.
Deusels Erklärung auch. ›Jedermann wisse, daß ich nicht von wirtschaftlichen Interessen abhängig sei‹ … Defensiver geht’s nicht.
Immerhin hat er überhaupt was gesagt. Von Unternehmerseite hab ich dagegen noch kein Sterbenswort gehört. Der Landesverband der Industrie, der Industrie- und Handelstag, der Verband der Metallindustrie – nichts als vornehmes Schweigen.
Wundert Sie das?
Nein.
Jetzt werden alte Rechnungen beglichen. Ich hab’s gewußt, daß es eines Tages so kommen wird.
Vielleicht ist es sogar ganz gut, daß das Unternehmerlager abtaucht. Wenn die jetzt etwas Positives sagen, wird es wahrscheinlich gleich wieder in die Kategorie Filz und Kumpanei eingeordnet. Wir müssen selbst in die Offensive gehen. Der Stern möchte ein Interview mit Ihnen haben. Sollten wir unbedingt machen, so schnell wie möglich. Der Stern war bisher sehr anständig in der Sache. Vielleicht können wir eine gewisse Gegenposition zum Spiegel aufbauen. Ich hab übrigens mit dem Bonner Spiegel-Büro gesprochen. Die sagen, die ganze Geschichte läuft recherchemäßig über die Düsseldorfer Redaktion und wird in Hamburg koordiniert. Sie selbst sind außen vor, werden uns aber rechtzeitig Bescheid geben, ob die Kollegen am nächsten Montag noch mal nachlegen.
Wieso Düsseldorf?
Die Bonner sagen, dort sitzen Redakteure, die über ›special connections‹ zu verschiedenen Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik verfügen.
Specht schwieg und blickte aus dem Fenster in den kahlen Park.
Und? fragte Gundelach ungeduldig. Kann ich dem Stern zusagen?
Ich weiß noch nicht … Ich denk darüber nach. Noch mehr denke ich allerdings darüber nach, ob ich nicht meinen Rücktritt erklären soll.
Im Laufe des Tages erhielt Gundelach die Mitteilung, Specht sei bereit, dem Stern das Interview zu geben. Morgen vormittag. Raible verständigte die Redaktion.
Gundelach erhielt einen Anruf: Ob er bestätigen könne, daß Specht die 5470 Mark von Dr. Mohr in bar zurückbekommen habe. Gundelach bestätigte es und gab die Version wieder, die Specht am Sonntag ausgebreitet hatte – Mohrs Drängen, das Hin und Her, die Weiterleitung an die CDU. Warum Specht denn montags nichts davon habe verlauten lassen, wollte der Anrufer wissen. Specht habe Dr. Mohr nicht zusätzlich belasten wollen, antwortete Gundelach.
Ab der Mittagszeit hieß die Spitzenmeldung in den Nachrichtensendungen der Rundfunkanstalten: Neue Vorwürfe gegen Ministerpräsident Specht! Specht erhielt Geld von Dr. Mohr zurück! Specht muß frühere Aussagen schon wieder korrigieren!
Die Opposition schäumte: Specht habe vor der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt. Seine Glaubwürdigkeit werde immer stärker in Frage gestellt.
Auch Raible vermeldete Neues. Die Reise nach Wien, mit Bönnheim, Wiener, Dr. Stierle und der Ballettdirektorin, war bekannt geworden.
Welche Reise? Allmählich hatte Gundelach Schwierigkeiten, die Reisen noch auseinander zu halten. Vor allem, weil er bei denen, die jetzt im Fadenkreuz der Kritik lagen, nicht dabei gewesen war. Bald würde er ein Register benötigen, um den Überblick zu behalten.
Das kommt davon, wenn man sich’s mit Herrn Stierle verdorben und den Großen der Industrie nie seine Aufwartung gemacht hat, sagte er zu Raible. Sollten Sie mein Nachfolger werden, lassen Sie sich’s zur Warnung gereichen!
Raible lachte. Es war gut, sich nicht immer nur wie auf einer Beerdigung fühlen zu müssen.
Welche Reise also? Und was war so schlimm an ihr? Specht hatte doch nach dem Galeriebesuch bei Stierles Kunst-Bekanntschaft auch noch in Vranitzkys Kanzleramt vorbeigeschaut und dies als den eigentlichen Grund seines Wiener Aufenthalts angegeben!
Raible klärte auf: Stierle hat außer dem Privatflugzeug auch die Übernachtung im Hotel Bristol bezahlt, und zwar für alle. In der Pressekonferenz hat Specht aber auf Nachfrage mitgeteilt, er glaube nicht, daß ihm irgend jemand bei dienstlichen Reisen
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