Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
herumgetippt, während er versuchte, die richtigen Worte zu finden. Er legte den Umschlag mitten auf seinen Schreibtisch, doch dann kamen ihm Bedenken. Céline würde ihn dort am Montagmorgen entdecken, und genau das wollte er eigentlich vermeiden. Also beugte er sich vor und ließ den Umschlag unter den Tisch fallen, als ob er schon vor einer Weile aus Versehen dort gelandet wäre. Er konnte nur hoffen, dass sie ihn erst zur rechten Zeit bemerken würde!
Nachdem er sich versichert hatte, dass alles so war, wie er es vorgefunden hatte, schaltete er das Licht aus und tastetesich vorsichtig durch das Zimmer in den Flur hinaus. Major Gaillards Brief hielt er dabei allerdings immer noch in der Hand. Er musste riskieren, dass Céline sein Verschwinden bemerkte, denn er wollte nicht, dass ihn sonst noch jemand zu Gesicht bekam. Am Montag würde er dann im Rathaus vorbeischauen und die erneute Intrige in Gang setzen. Und bis zum 26. Januar wäre die Angelegenheit endgültig geregelt. Vielleicht hatte Thérèse ja sogar recht. Vielleicht wäre es so am Ende doch besser für die Gemeinde. Zumindest hätte er sein Möglichstes getan, sicherzustellen, dass es auch das Beste für ihn wäre.
Serge Papon öffnete vorsichtig die Tür und trat in die kalte Nachtluft hinaus. Innerhalb von wenigen Minuten war er wieder zurück in seinem Haus, wo ihn dieselbe Stille empfing, die ihn zurzeit immer willkommen hieß. Er zog seine Jacke aus und setzte sich an den Kamin. Seine Freude über das Ausschalten eines politischen Gegners begann bereits wieder zu schwinden, als er in die Flammen starrte und sich fragte, was er bloß anfangen sollte, wenn sie für immer fort war.
In La Rivière war es bereits dunkel, und das Fenster, das auf den Fluss hinausging, war jetzt nicht mehr als ein schwarzes Rechteck, das lediglich eine Spiegelung des großen Raums zeigte. Paul drückte sein Gesicht gegen das kalte Glas, versuchte etwas zu sehen, aber alles, was er ausmachen konnte, waren ein paar über den Berghang verstreute Lichter. Selbst der Fluss, der in den letzten Wochen durch das Winterwetter angeschwollen war, ließ sich nur durch das ständige Murmeln erkennen, mit dem er über das Wehr floss.
Er schloss mit resignierter Miene die Vorhänge, als beende er damit diesen langen Tag des Wartens.
»Sieht nicht so aus, als würde er heute noch anrufen«, sagte er müde.
Lorna blickte vom Laptop auf. Sie hatte Paul davor gewarnt, sich allzu viele Hoffnungen zu machen. Wie sollte Christian Dupuy an einem Tag erreichen, was ihnen in zwei Monaten nicht gelungen war? Aber nach dem gestrigen Abend hatte Paul voll und ganz auf den Landwirt gesetzt.
Sie hatten ohne Frage einen tollen Abend mit den Dupuys verbracht, aber das hatte ihnen die unumgängliche Entscheidung nur noch schwerer gemacht. Es wäre so viel leichter gewesen, die Auberge mit Bitterkeit im Herzen zu verlassen und irgendwelche Leute, die sie nicht kannten, für das Dilemma verantwortlich zu machen, in dem sie steckten. Nun waren sie mit der Wahrheit vertraut und wussten, dass es Menschen in der Gemeinde gab, denen ihr Wohl am Herzen lag. Und das machte Lornas derzeitige Aufgabe so viel schwieriger.
»Was hältst du davon? Habe ich alle Punkte bedacht?«, fragte sie.
Paul überflog die Verkaufsanzeige auf dem Bildschirm. »Ich würde sie kaufen«, sagte er traurig.
»Soll ich sie dann absenden?«
Paul nickte. Lorna drückte mit einer gewissen Feierlichkeit auf die ENTER-Taste, und damit wurde die Auberge nun offiziell im Internet zum Verkauf angeboten. Sie stand auf, und er zog sie an sich und schloss sie ganz fest in seine Arme.
»Wir haben es versucht«, murmelte er in ihr Haar. »Keiner kann behaupten, dass wir es nicht versucht hätten.«
Sie umarmte ihn noch fester, vergrub ihren Kopf an seiner Brust, bis sie nur noch das Blut in ihren Ohren pochen hörte.
Bum-bum-bum-bum…
Sie schloss die Augen, vertiefte sich in ihren Herzschlag, genoss das tröstliche Gefühl, Pauls Arme um sich zu spüren, und versuchte dabei all das, was sie während des Tages bis in den Schlaf zu begleiten schien, auszuschalten: all die Belastung, die Enttäuschung, ihre ungewisse Zukunft und das Gefühl, versagt zu haben. Schließlich wurde sie sich über das beharrliche Gedröhne hinweg des gedämpften Klangs von Pauls Stimme bewusst, ganz so, als befände sie selbst sich unter Wasser.
»Lorna?«
Sie hob den Kopf. Der Pulsschlag pochte immer noch in ihren Ohren. Bum-bum-bum…
»Da ist jemand an
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