Monster

doch anders. Er schloss die Augen, und seine groben Gesichtszüge entspannten sich. Ich fuhr weiter auf dem Riverside in westlicher Richtung. Als wir Coldwater Canyon erreichten, hatte er noch immer kein Wort gesprochen. Doch er schlug die Augen auf und machte einen verstörten Eindruck.
    »Passt irgendwas nicht zusammen?«, fragte ich.
    »Das ist es nicht«, sagte er. »Was mich stört, ist die Filmgeschichte. Da habe ich jahrelang Ställe ausgemistet, und jetzt lande ich auf einmal im Showgeschäft.«
    Am nächsten Morgen meldete er sich nicht, also fuhr ich mit Robin zum Strand in Santa Monica zum Frühstücken. Um elf war sie wieder mit Spike in ihrem Atelier, und ich quälte mich am Telefon mit dem Ekelpaket von Anwalt aus Encino herum. Ich ließ einen Absatz von seiner schmierigen Strategie über mich ergehen und erklärte ihm dann, dass ich kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit ihm hätte. Erst klang er eingeschnappt, dann wurde er unverschämt, und schließlich knallte er den Hörer auf, worüber ich in höchstem Maße beglückt war.
    Zwei Sekunden später meldete sich mein Telefonservice. »Doktor, während Sie telefoniert haben, hat eine Mrs. Racano aus Fort Myers Beach, Florida, versucht, Sie zu erreichen.«
    Bei Florida dachte ich zuerst an den Jachtunfall der Crimmins’. Doch dann konnte ich diesen Namen plötzlich wieder einordnen: Dr. Harry Racano, Claires Professor, nach dem ich mich vor zwei Tagen erkundigt hatte.
    »Mrs. Racano?«
    »Eileen, ja.«
    »Dr. Delaware aus Los Angeles. Danke für Ihren Rückruf.«
    »Ja«, sagte sie vorsichtig. »Mary Ellen von der Case Western hat mir ausgerichtet, dass Sie wegen Ciaire Argent angerufen hätten. Was in Gottes Namen ist mit ihr passiert?«
    »Sie wurde entführt und ermordet«, sagte ich. »Bis jetzt gibt es keinerlei Hinweis auf den Grund des Verbrechens, und ich wurde als Berater hinzugezogen.«
    »Weshalb glauben Sie, dass Harry Ihnen da helfen könnte?«
    »Wir versuchen so viel wie möglich über Ciaire in Erfahrung zu bringen, und der Name Ihres Mannes ist in einer ihrer Arbeiten aufgetaucht. Es kommt nicht selten vor, dass Fachbetreuer ihre Studenten ziemlich gut kennen lernen.«
    »Harry hat Claires Dissertation abgenommen. Sie hatten beide ein starkes Interesse am Thema Alkoholismus. Ciaire war gelegentlich bei uns zu Gast. Ein nettes Mädchen. Sehr still und ruhig. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie ermordet wurde.«
    Plötzlich redete sie schneller. Wollte sie etwas loswerden?
    »Ciaire hat auch hier am Thema Alkoholismus gearbeitet«, sagte ich. »Doch ein paar Monate, bevor sie getötet wurde, hat sie ein wenig überraschend ihre alte Arbeitsstelle aufgegeben und eine neue im Starkweather Hospital angetreten. Das ist eine staatliche Einrichtung für geistesgestörte Kriminelle.«
    Schweigen.
    »Mrs. Racano?«
    »Davon hatte ich keinerlei Ahnung. Ciaire und ich hatten keinerlei Kontakt, seit sie aus Cleveland fortgegangen ist.«
    »Hat sie jemals irgendein Interesse an psychotischen Mördern gezeigt?«, sagte ich.
    Ihr langes Seufzen klang über das Telefon wie ein statisches Rauschen. »Sind Sie je ihren Eltern begegnet?«
    »Ja.«
    »Und … Ach was, natürlich haben die nichts erwähnt. Ach, Dr. Delaware, ich denke, da gibt es einiges, das Sie vielleicht wissen sollten.«
     
    Sie lieferte mir die grundlegenden Fakten. Die Details suchte ich mir später in den Archiven der Bibliothek zusammen.
    Ein Artikel aus der Pittsburgh Post Gazette von vor siebenundzwanzig Jahren. Er hätte aber auch in jeder anderen größeren Zeitung stehen können, denn der Fall hatte landesweit Schlagzeilen gemacht.
     
    FAMILIE VON JUGENDLICHEM IM BLUTRAUSCH ABGESCHLACHTET
     
    Auf die besorgten Anrufe mehrerer Nachbarn hin verschaffte sich die Polizei am heutigen Morgen Zugang zu einem Haus in West Pittsburgh und entdeckte die Leichen einer ganzen Familie sowie einen Jugendlichen, der sich im Keller versteckt hielt und dem die Taten zur Last gelegt werden.
    James und Margaret Brownlee und ihre Kinder, die fünfjährige Carla und der zweijährige Cooper, waren den Stichwunden und tödlichen Schlägen erlegen, die ihnen mit einem Messer und einem Fleischhammer zugefügt worden waren, die der Täter aus der Küche des Hauses der Opfer in Oakland entwendet hatte. Brownlee war 35 Jahre alt und arbeitete als Vertriebsleiter einer Mineralwasserfirma. Seine neunundzwanzig Jahre alte Frau arbeitete im Haushalt. Beide wurden von den Nachbarn als Frühaufsteher