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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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alles egal war.
    Auf einer dünnen Matratze, die an einem Podest aus Plastik festgemacht war, saß … etwas.
    Etwas mit nacktem Oberkörper.
    Die unbehaarte Haut weiß sie Molke, wenn man von den blauen Venen absah. Die Rippen zeichneten sich mit einer solchen Deutlichkeit ab, dass sie an einen Truthahn nach dem Festschmaus erinnerten.
    Der untere Teil seines Körpers steckte in Khakihosen, die seine spindeldürren Beine lose umhüllten, während sie an den Knien spannten, die so knochig waren, dass sie wirkten wie die Griffe geschnitzter Spazierstöcke. Seine Füße waren nackt, aber schmutzig. Die Zehennägel ungepflegte braune Hornplatten. Sein Kopf war glatt rasiert, und während die Wangen und das Kinn mit schwarzen Stoppeln übersät waren, verrieten die wenigen Stoppeln auf seinem Schädel, dass er mittlerweile größtenteils kahl war.
    Sein Kopf hatte eine merkwürdige Form: Oben sehr breit, die Schädeldecke abgeflacht und mit Furchen durchsetzt. Unterhalb seiner wulstigen Brauen taten sich zwei kraterartige Höhlen auf, in denen sich die Augen regelrecht verloren. Die Lider grau, die Wangen tief eingefallen. Unterhalb des Jochbeins lief das gesamte Gesicht spitz zusammen.
    Ein Fäulnisgeruch erfüllte den Raum. Essigsaurer Schweiß, Flatulenzen, verbranntes Gummi. Es roch nach Tod.
    Währendddessen lief weiter Musik. Ein hübscher, beschwingter Walzer.
    »Ardis?«, sagte Swig.
    Peakes Kopf blieb gesenkt. Ich beugte mich tief hinunter und konnte so auch den Rest seines Gesichts sehen. Der Mund winzig klein, die Lippen so zusammengekniffen, dass sie kaum zu sehen waren. Plötzlich tauchte dazwischen etwas auf: eine dunkle, feuchte Zungenspitze, braunrot wie rohe Leber. Die Zunge zog sich zurück. Tauchte wieder auf. Peakes Wangen wölbten sich, erschlafften und wölbten sich wieder. Er rollte den Kopf nach links. Die Augen geschlossen, den Mund geöffnet. Etliche Zähne fehlten.
    Swig trat näher an ihn heran, bis er weniger als einen Meter vom Bett entfernt war.
    Abrupt ließ Peake den Kopf sinken und starrte wieder auf den Boden. Seine Nase war kurz und überaus schmal - kaum mehr als ein Knorpelkeil - und nach links gebogen. Seine Ohren waren überdimensioniert wie bei einer Fledermaus, obwohl ihnen die Ohrläppchen fehlten. Schmale, von Venen überzogene Hände mit tentakelartigen Fingern, die seine Knie umklammert hielten.
    Ein lebendes Skelett. Irgendwo hatte ich so ein Gesicht doch schon mal gesehen …
    Peakes Zunge schoss erneut hervor. Er fing an, sich hin und her zu wiegen. Bewegte seinen Kopf von einer Seite zur anderen. Ließ ihn kreisen, wobei er unwillkürlich mit den Augenlidern zuckte. Und wieder und wieder schoss seine Zunge hervor.
    Der Mund war nun ganz flach, nahezu zweidimensional. Feuchtglänzend vor Speichel materialisierten sich schließlich die Lippen - ein portweinroter Schlitz in der Mitte eines Dreiecks, der grell aus dem teigigen Gesicht hervorsprang.
    Der Schlitz weitete sich, und die Zunge glitt ganz heraus - dick, lila und gesprenkelt wie eine Höhlenschnecke.
    Sie hing in der Luft, rollte sich zusammen, glitt von links nach rechts und flutschte wieder zurück.
    Tauchte wieder auf. Und verschwand.
    Wieder ließ er den Kopf kreisen.
    Nun fiel mir ein, wo ich das Gesicht schon mal gesehen hatte. Auf einem Poster aus meinen Studententagen. Edward Münchs Der Schrei.
    Ein kahler, dahinschmelzender Mann, der, gepeinigt von unfassbaren Seelenqualen, sein Gesicht umklammert hält. Peake hätte für das Gemälde glatt Modell gestanden haben können.
    Ohne die Hände von seinen Knien zu nehmen, begann er mit dem Oberkörper zu kreisen, zitterte und zuckte ein paar Mal zusammen, sodass man fast den Eindruck hatte, er würde jeden Moment umkippen. Doch dann hörte er auf. Er richtete sich auf.
    Schaute in unsere Richtung.
    Als er die Ardullos abgeschlachtet hatte, war er neunzehn Jahre alt gewesen. Folglich war er jetzt fünfunddreißig. Er sah aus wie ein steinalter Greis.
    »Ardis?«, sagte Swig.
    Keine Reaktion. Peake starrte in unsere Richtung, doch er nahm uns nicht wahr. Er schloss die Augen. Ließ den Kopf kreisen. Weitere zwei Minuten tardives Ballett.
    Swig verzog angewidert das Gesicht und machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte er sagen: »Sie wollten’s ja unbedingt so haben.«
    Milo ließ sich davon nicht beeindrucken und trat näher an Peake heran. Dieser beschleunigte seine Schaukelbewegung, leckte sich die Lippen, ließ die Zunge hervorgleiten, rollte sie

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