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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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zusammen und zog sie wieder ein. An seinem linken Fuß fingen mehrere Zehen an zu zittern. Seine linke Hand flatterte.
    »Ardis, ich bin’s, Mr. Swig. Ich hab dir Besuch mitgebracht.«
    Nichts.
    Swig sagte: »Bitte sehr, Detective.« Keine Reaktion auf »Detective«.
    Ich beugte mich hinunter, bis ich mit Peake auf Augenhöhe war. Milo machte es mir nach. Peake hielt die Augen noch immer geschlossen. Die Lider wurden von kleinen Wellen gekräuselt - die Augäpfel bewegten sich hinter der grauen Hautschicht. Seine Brust war weiß und unbehaart. Und übersät mit Mitessern. Die Brustwarzen grau wie zwei kleine Aschenkegel. Es schien, als würde der Geruch nach Verbranntem stärker, je näher man Peake kam.
    Milo sagte »Hey«, und seine Stimme klang überraschend sanft.
    Leichtes Zucken der Schultern. Zungengymnastik. Peake ließ den Kopf kreisen, hob die rechte Hand, ließ sie eine Weile auf Brusthöhe verharren und wieder heruntersacken.
    »Hey«, wiederholte Milo. »Ardis.« Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Peakes entfernt.
    »Ich heiße Milo. Ich möchte dir ein paar Fragen zu Dr. Argent stellen.«
    Peakes Bewegungen gingen weiter. Automatisch. Ohne jede bewusste Steuerung.
    »Ciaire Argent, Ardis. Deine Ärztin. Ich bin bei der Mordkommission, Ardis. Mord.«
    Nicht einmal ein unwillkürliches Augenzwinkern.
    Milo sagte: »Ardis!« Diesmal sehr laut.
    Nichts. Es verstrich eine volle Minute, dann hoben sich die Augenlider. Zunächst nur zur Hälfte, bis schließlich die Augen ganz zu sehen waren.
    Schwarze Schlitze. Stecknadelkopfgroße Lichtflecken in der Mitte, aber kein klar erkennbarer Rand zwischen der Iris und dem Weißen.
    »Ciaire Argent«, wiederholte Milo. »Dr. Argent. Augen hin, Deckel zu.«
    Die Augen klappten zu wie Fensterläden. Peake ließ seinen Kopf kreisen, seine Zunge reckte sich in die Luft. Einer seiner Zehen begann zu trommeln. Diesmal am rechten Fuß.
    »Augen hin«, sagte Milo beinahe flüsternd, doch so gepresst, dass erkennbar war, wie viel Beherrschung es ihn kostete, nicht loszubrüllen.
    »Augen hin, Deckel zu, Ardis.«
    Zehn Sekunden, fünfzehn … eine halbe Minute.
    »Kiste zu, Ardis. Eine Kiste. Dr. Argent in einer Kiste.«
    Peakes neuropathisches Ballett ging unvermindert weiter.
    »Augen hin«, sagte Milo sanft.
    Ich schaute Peake in die Augen. Auf der Suche nach einem Fetzen seiner Seele.
    Schwarz wie die Nacht; alle Lichter aus.
    Mir fiel eine fiese Umschreibung für Geisteskranke ein: »Niemand zu Hause.«
    Vor langer Zeit hatte dieser Mann wie im Rausch eine ganze Familie ausgelöscht. Eine Ein-Mann-Seuche.
    Ihre Augen verstümmelt.
    Und nun waren seine eigenen Augen die Bullaugen eines Schiffes auf der Fahrt ins Nichts.
    Als ob jemand die Verbindungsdrähte zwischen Körper und Seele gekappt hätte.
    Wieder schoss seine Zunge heraus. Sein Mund öffnete sich, doch er brachte keinen Laut hervor. Ich starrte ihn an. Versuchte, irgendeine Reaktion festzustellen. Er blickte durch mich hindurch - nein, das hätte zu viel Mühe gekostet.
    Er war da, und ich war hier. Keinerlei Kontakt zwischen uns.
    Keiner von uns war wirklich da.
    Sein Mund klaffte auf, als würde er jeden Moment gähnen. Doch er tat es nicht. Es war nichts weiter als ein Loch, das weit offen stand, während er den Kopf in die Höhe reckte. Ich musste an ein neugeborenes Nagetier denken, das blind nach der Zitze der Mutter sucht.
    Milo versuchte es erneut, diesmal noch leiser und noch eindringlicher. »Dr. Argent, Ardis. Augen futsch, Kiste zu.«
    Die tardiven Bewegungen gingen weiter. Völlig unregelmäßig und ohne jeden Rhythmus. Swig tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
    Mit knackenden Knien erhob sich Milo. Ich stand ebenfalls auf, wobei mein Blick einen kurzen Moment auf die Kette an der Wand fiel.Zusammengerollt wie eine schlafende Python.
    Der Geruch im Raum war noch schlimmer als zuvor.
    Peake bekam nichts davon mit.
    Keine Verhaltensänd.

12
    Vor der Tür des Zimmers fragte Swig: »Zufrieden?«
    Milo erwiderte: »Warum lassen wir’s Heidi nicht mal versuchen?«
    »Sie machen wohl Witze?«
    »Ich wollte, es wäre so, Sir.«
    Swig schüttelte den Kopf, doch er rief einem der Pfleger am anderen Ende des Flures zu: »Kurt, holen Sie Heidi Ott.«
    Kurt machte sich auf den Weg, während wir inmitten der Insassen warteten. Beziehungsweise Patienten. Machte es einen Unterschied, wie man sie nannte?
    Swig ging zum Stationszimmer und telefonierte, wobei er ständig auf seine Uhr schaute. In

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