Monster (German Edition)
mit der flachen Hand auf ein Sofakissen schlagen. Die Banane liegt krumm und gelb auf dem Rücken des Reptils. Das Mädchen sieht ihn staunend an. Das Krokodil bewegt sich nicht.
Dann beginnt der Tumult.
Okay, ich hab noch einen Benjamin-Witz. Geht Benjamin über eine Straße. Du merkst schon. Jetzt wird’s klassisch. Der Bürgersteig ist voll mit Menschen. Und er geht bei Rot rüber. Über die rote Ampel. Kein Problem. Das Auto, das um die Ecke kommt, hat er natürlich längst gesehen. Aber das kleine Mädchen hinter ihm, das ihm nachgelaufen kommt, hat er nicht gesehen. Er geht bei Rot rüber. Und die Kleine schaut nicht nach links oder rechts, rennt ihm einfach hinterher. Dann kreischen die Reifen. Und irgendein Passant kreischt auch. »Halt!« ruft er, aber seine Stimme klingt schrill wie von einem Schulmädchen. Die Stimme des Mannes vermischt sich vollkommen mit dem Lärm der Reifen. Dann ist es still. Und da, wo eben noch das Mädchen auf der Straße stand, steht ein Auto mit einer zitternden Frau hinterm Steuer. Ganz witzig: Sie sieht ziemlich genau aus wie die Frau, die auf Seite 79 unter der S-Bahn gelandet ist. Aber das bemerkt Benjamin natürlich alles gar nicht, weil der längst in der Menge verschwunden ist. Als er die Sirenen hört, ist er schon halb im Supermarkt. Na? Wie war der?
Was du da hast, ist nichts Gefährliches. Bloß ein harmloser Atavismus, ein evolutionäres Überbleibsel, das sich bei allen Menschen in den Genen versteckt hält. Nur bei dir ist es zum Vorschein gekommen. Bei dir hat es sich gezeigt. Man könnte auch sagen, du bist etwas Besonderes.
Bringen Sie Ihre Atmung und Ihre Bewegungen in Einklang
Atmen Sie tief ein, atmen Sie bis hinunter in den Bauch, tief in den Bauch. Halten Sie den Atem dort für eine Weile.
Als ich acht oder neun bin, spielen Simon und ich ein Spiel, das Steineregen heißt. Einen Sommer lang verdrücken wir uns jeden Nachmittag auf einen der Feldwege am Dorfrand und fangen an, wie verrückt Steine zu sammeln. Dann stellen wir uns ganz dicht zusammen, Rücken an Rücken, und werfen sie so gerade und so hoch in die Luft, wie wir können. Dann lassen wir uns auf den sandiggrauen Boden fallen, ziehen unsere Köpfe zwischen die Schultern und die Arme vors Gesicht.
Spüren Sie jetzt, wie der Atem Ihre Lungen ganz ausfüllt. Stellen Sie sich Ihren Atem jetzt als eine kleine Sonne vor, einen warmen Ball in Ihrem Bauch.
Dann prasseln die Steine auf uns nieder. Ein Steinhagel, jeder Brocken härter als unsere Arme und Beine, härter als unsere Rücken und Köpfe und die Knochen darunter.
Ich bin ein ziemlich guter Erwachsener. Ich halte meine Wohnung sauber, gehe ins Fitnessstudio und ernähre mich bewusst. Ich habe im letzten Jahr keinen Tag bei der Arbeit gefehlt. Ich beschwere mich scherzhaft über unbezahlte Überstunden und schenke Kollegen ein natürliches Lächeln. Ich entspanne mich beim Yoga. Ich entspanne mich jetzt gerade beim Yoga. Ich war auch ein gutes Kind, denke ich. Ich habe Dinge gemacht, die ich heute in Cocktailbars mit einem Augenzwinkern meinen Geschäftspartnern erzählen kann. Ich bin ein guter Erwachsener, weil ich die richtigen Geschichten kenne.
Wir werfen die Steine in die Luft, die sich da oben in Geschosse verwandeln. Wir rollen uns zusammen, und dann schlagen sie ein. Zehn, zwanzig Staubwölkchen um uns herum, die wir nicht sehen, weil wir die Augenlider fest zusammengepresst haben. Zehn, zwanzig dumpfe Geräusche, kurz hintereinander, ein Prasseln, das wir genau hören, weil wir in dem Moment nur Haut und Ohren sind. Eine Haut, die damit rechnet, Schmerz zu spüren, und Ohren, die nach dem Aufschrei des anderen horchen.
Jetzt atmen Sie aus und lassen Sie die Sonne langsam Ihren Hals hinaufsteigen, lassen Sie den warmen orangefarbenen Ball in Ihrem Mund und in Ihrem Kopf aufgehen.
Ich mache Geschäftsreisen. Ich esse Riesensteaks in Texas, Borschtsch in Moskau und fühle mich verloren in Tokio. Ich liege in Hotels auf Betten und bezahle für Pornokanäle, um mich nicht krank zu fühlen, rühre aber die Minibar nie an. Manchmal, wenn das Essen lang gedauert und die Hotelbar schon geschlossen hat, kommt ein Geschäftstermin noch mit auf mein Zimmer. Dann öffne ich den kleinen Kühlschrank, der neben meinem Bett surrt, sage, dass ich eigentlich nie etwas aus der Minibar nehme und erzähle eine Geschichte. Zum Beispiel die, in der ich als Kind mal Strohrum aus dem verspiegelten Schnapsschränkchen des
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