Monsterkopf
die Mündung eines Revolvers gegen seinen Kopf gepresst. Kate wusste nicht, was ihn gewarnt hatte. Jedenfalls drückte er noch nicht ab, sondern drehte seinen Kopf nach rechts, mit der Waffe an der Schläfe.
Er sah sie.
Kate bewegte ihren Mund. Es war so etwas wie ein stummer Schrei, den sie abgab. Zugleich sah sie das Erschrecken in den Augen des Fahrers.
Was mache ich jetzt? Wie verhalte ich mich korrekt? Diese beiden Fragen schossen durch ihren Kopf. Sie wollte nicht, dass sich der Mann umbrachte, und sie hatte auch keine Zeit, ihrem Kollegen Don Steiner Bescheid zu geben, denn hier war sie gefordert.
Die Polizistin reagierte, ohne noch großartig zu überlegen. Sie wollte den Mann retten, der bestimmt nicht nur auf gute Worte hörte. Und so zerrte sie die Fahrertür auf.
Sie wünschte sich nur, dass der Fahrer nicht eben in diesem Augenblick abdrückte. Das tat er nicht, denn er war wohl ebenso überrascht wie Kate Boone.
Beide blickten sich an. Es waren nur Sekunden, doch für Kate dehnten sie sich in die Länge.
»Okay«, flüsterte sie, »okay. Ich habe verstanden. Ich werde auch nicht versuchen, Sie zu berühren, aber tun Sie mir und sich einen Gefallen – bitte. Nehmen Sie die Waffe von ihrem Kopf weg. Machen Sie sich nicht unglücklich, Mister.«
Es sah nicht so aus, als hätte der Mann ihre Worte verstanden. Seine Augen waren weit geöffnet. In seinem Blick stand die Panik, und Kate sah auch, dass seine Unterlippe zitterte.
»Bitte!«, flüsterte sie. »Nichts und niemand auf der Welt ist es wert, dass Sie Ihr Leben so einfach weg werfen.«
Er schwieg.
Die Waffe hielt er weiterhin gegen seine rechte Schläfe gepresst, und Kate wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie dachte für einen Moment daran, dass sie eine psychologische Ausbildung erhalten hatte. Die brachte sie jetzt auch nicht weiter.
»Wir können reden, Mister. Vielleicht kann ich Ihnen...« Sie schluckte. »Nein, ich bin sogar sicher, dass ich Ihnen helfen kann. Werfen Sie Ihr Leben nicht weg. Ich... ich... bitte darum.«
Sie richtete sich darauf ein, dass der Fahrer trotz ihrer beschwörenden Worte nichts sagen würde. Da irrte sie sich. Er flüsterte: »Hau ab!«
Obwohl der Mann den Revolver nicht von seinem Kopf wegnahm, fühlte sich Kate irgendwie erleichtert. Er hatte etwas gesagt, das sah sie schon als einen kleinen Erfolg an.
»Bitte, Mister, Sie müssen...«
»Du sollst verschwinden!«
»Nein, das tue ich nicht. Ich will nicht, dass Sie sterben. Haben Sie das nicht begriffen?«
»Es gibt keinen anderen Weg, verflucht!«
»Doch, doch! Es gibt immer einen. Man muss ihn nur gehen wollen, glauben Sie mir!«
»Nein, nein!« Er schwitzte plötzlich stärker, als hätte er an irgendetwas gedacht, das besonders schlimm war. Und dann hörte Kate Boone abgehackte Sätze, die sie nicht begriff.
»Der Kopf... der Monsterkopf... er wartet auf mich. Ich werde zu ihm gelangen. Der Teufel hat ihn gesegnet. Ich werde ihn erreichen. Ich werde bald zu ihm gehören, verstehst du?«
»Nein, ich verstehe nicht.«
»Aber es ist so, verdammt!«
»Überlegen Sie es sich, Mister. Niemand wirft sein Leben so einfach weg. Denken Sie auch an die Menschen, denen Sie etwas bedeuten, die um Sie weinen werden.«
»Niemand weint um mich!«
Es war eine Antwort, die Kate Boone klar und deutlich verstanden hatte. Und sie war ihr so verdammt endgültig vorgekommen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, nichts mehr erreichen zu können. Sie stand in der offenen Tür, und sie schaute in die Augen des Fahrers.
Genau dort entdeckte sie den Funken der Entschlossenheit. Es gab nichts anderes mehr. Um sie herum schien alles einzufrieren und sich dabei zu verlangsamen. Sie riss ihre Augen ebenfalls weiter auf, als sie sah, dass sich der rechte Zeigefinger bewegte und den Abzug nach hinten drückte.
In einer Geste der Verzweiflung versuchte sie noch, nach dem Waffenarm zu schlagen, was ihr misslang.
Der Fahrer war schneller.
Er drückte ab!
Ein lauter Knall. Doch Kate hörte ihn nicht richtig. Sie konnte nur nach vorn schauen, sah das Blut spritzen und wie der Mann auf seinem Sitz zusammenzuckte, nachdem er kurz in die Höhe geschnellt war. Sein Körper erschlaffte und wäre möglicherweise aus dem offenen Wagen gefallen, wenn ihn der Gurt nicht gehalten hätte...
***
Die Wirklichkeit hatte sie wieder. In dieser Wirklichkeit fand sich Kate Boone auf dem Boden neben dem Truck wieder. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie nach hinten gefallen war,
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