Monströse Welten 1: Gras
Der auffrischende Wind trug die Geräusche laut und deutlich zu ihnen herüber – und einen Geruch… einen völlig fremdartigen Geruch. Es war kein Gestank. Auch kein Wohlgeruch. Eine neutrale Duftnote. Marjorie zückte das Lasermesser, schnitt einige Büschel Gras und tarnte damit Don Quixote. Vielleicht überlagerten sie auch seine Ausdünstungen. Dann robbte sie durch das hohe Gras in Richtung der Laute, die vom Wind herangetragen wurden, über einen langen Grat im Süden. Als sie den Kamm erreicht hatte, blieb sie reglos liegen und lugte durch die Grashalme.
Sie sog den Geruch ein.
Der Himmel verdüsterte sich, und sie fiel zugleich nach oben und nach unten und wurde dabei zerschmettert.
Der Arm unter dem Kinn wurde flach wie ein Blatt Papier.
Etwas trat auf ihren Kopf und zerquetschte ihn. Sie verspürte keine Schmerzen.
Ihr Körper löste sich auf. Sie versuchte, einen Finger zu krümmen. Vergeblich.
Hunde. Eine flache, grasbewachsene Senke voller Hunde, sitzende Hunde, geduckte Hunde, grau, grün und violett; sie hatten die Köpfe zurückgelegt und entblößten ein Gebiß mit langen Reißzähnen und einer doppelten Zahnreihe im Ober- und Unterkiefer. Auf diese Art kam das rhythmische Grunzen zustande. Ihre Körper bebten und beulten sich an verschiedenen Stellen aus, als ob sie Lebewesen verschluckt hätten, die wieder nach draußen strebten. Leere weiße Augen starrten gen Himmel, dem weiten, herabstürzenden Himmel.
Der Geruch. Die flache Senke war mit dem Geruch angefüllt. Und sie lag am Rand dieser Mulde. Sie hatte die Zunge herausgestreckt und sabberte.
Dort, jenseits der Senke, erhob sich eine schroffe Wand, die in regelmäßigen Abständen von großen Öffnungen durchbrochen wurde, hinter denen sich im Licht der Morgensonne eine Höhle abzeichnete. Dort bewegten sich Hippae, einzeln oder in Paaren, in komplexen Mustern, tänzelten mit zurückgeworfenen Köpfen und aneinanderschlagenden Knochenplatten.
Inmitten der Hunde befanden sich Haufen perlartiger Kugeln, die ungefähr die Größe ihrer Köpfe hatten. Migerer rollten die Kugeln umher, so daß sie gleichmäßig von der Sonne beschienen wurden. Sie wendeten sie, nahmen sie in die klauenbewehrten Pfoten und hielten sie ans Ohr. Worum handelte es sich bei diesen Objekten? Eier?
In der Senke vor der Kaverne befanden sich außerdem einige Dutzend der wurmartigen Peeper, wobei sie nur durch die wellenförmige Bewegung ihrer Körper als Lebewesen zu identifizieren waren.
Der Geruch preßte sie auf den Boden. Sie kam sich zweidimensional vor, wie eine Luftmatratze, aus der die Luft entwichen war.
Die Hunde waren groß, schier riesig. So groß wie Zugpferde, wenn auch nicht mit ganz so langen Beinen. Die Peeper waren große Exemplare, doppelt so groß wie üblich. In der Kaverne tanzten unzählige Gestalten in der Luft, dunkle fledermausartige Kreaturen mit Krallen. Eines dieser Wesen landete auf dem Nacken eines Hundes und krallte sich dort fest. Nach einer Weile löste es sich wieder und setzte seinen erratischen Flug fort.
Einer der Hunde schnappte nach Luft und stieß ein Geheul aus, das schließlich in ein Winseln überging. Dann schnappte er erneut nach Luft. Auf dem sonnenbeschienen Erdboden ballten die Peeper sich zu Kugeln zusammen. Die Hautfalten waren wie glattgebügelt. Dieser Anblick kam ihr bekannt vor. Sie hatte es schon einmal gesehen. Irgendwo. Irgendwann.
Allmählich verebbten die Geräusche. Die Kreaturen schienen mitten in ihrer Bewegung erstarrt zu sein. Das Zucken in den Körpern der Hunde hörte auf. Es trat eine tiefe, lang anhaltende Stille ein.
Ein Hippae trat aus der Kaverne, im Paßgang, wobei es bei jedem Schritt die Hufe weit hochzog. Die Nüstern bebten, und mit gefletschten Zähnen stieß es ein keuchendes Bellen aus, Warnlaute. Nach einiger Zeit schlossen andere Hippae sich dem ersten Tier an und stimmten mit geschwollenen Hälsen, zurückgelegtem Kopf und rollenden Augen in den bedrohlichen Chor ein.
Sie lösten sich voneinander und senkten die Köpfe, wobei die bösartigen Knochenklingen seitlich abstanden; der Abstand zwischen ihnen wurde immer größer. Dann attackierten sie sich gegenseitig mit den Knochenblättern, wobei sie sich schwere Verletzungen zufügten. Blutige Wunden klafften an den Flanken, und sie stampften mit rasiermesserscharfen Hufen auf den Boden, bevor sie den Angriff wieder aufnahmen. Wieder hieben sie mit den Klingen aufeinander ein, bis das Blut in Strömen floß. Entsetzt
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