Monströse Welten 1: Gras
der sich mitten aus einem Sumpfwald erhebt – eine lange, schmale Ellipse mit einer Fläche von vielleicht zweihundertfünfzig Quadratkilometern, auf der ein Raumhafen, Lagerhäuser und hydroponische Farmen angelegt wurden, Steinbrüche und Weiden und Bergwerke, das ganze Spektrum menschlicher Existenz und menschlicher Betriebsamkeit. Commoner Town, wo Fremde kommen und gehen, ohne die Einheimischen zu belästigen, wo die Fremden ihren unverständlichen und, wie die bon Damfels sich auszudrücken belieben, verachtenswerten Geschäften nachgehen.
Dort befindet sich auch der Hafen, wo Dickschiffe auf Feuerschweifen niedergehen, die von Shafne und Semling und von dem Planeten kommen, den die meisten Heiligkeit nennen, bis man sie darauf hinweist, daß er in Wirklichkeit Terra heißt, die Wiege der Menschheit. Männer und Frauen treten auf Gras in vielerlei Ausprägung auf: Durchreisende und Händler und Handwerker und Schiffsbesatzungen und Priester, die Hotels und Lagerhäuser, Geschäfte und Bordelle und Kirchen benötigen. Dazu die Kinder mit ihren Spielplätzen und Lehrer mit ihren Schulen.
Gelegentlich verläßt eine kleine Gruppe abenteuerlustiger Kinder oder gelangweilter Durchreisender den Hafen oder die Stadt und spaziert den anderthalb Kilometer langen Abhang hinunter bis zu der Stelle, wo der Boden in Marschland übergeht. Die bemooste, zähe Oberfläche ist zunächst federnd und feucht, verwandelt sich aber schnell in den Matsch, den man nach tagelangen Regenfällen auch erwarten sollte. Für eine Weile trägt der Boden die Wanderer noch, wobei die Füße aber schon tief in den Morast einsinken. Hier kehren die meisten dann um, weil sie befürchten, im Schlick zu versinken; und an einer Stelle ist diese Besorgnis durchaus auch begründet: der Boden ist so trügerisch, daß nur noch die unerschrockensten Forscher von einer Grasinsel zur nächsten hüpfen, von denen der ölig glänzende Sumpf durchsetzt ist. Hier gedeihen große Clume- Bäume mit blauen Blättern, weiße Blüten mit der Form von Kerzen und schwarzflügelige Motten mit der Größe und Farbe von Papageien, die nach Weihrauch duften; und dann gibt es noch große, häßliche Frösche, deren Vorfahren vor langer Zeit mit den ersten Siedlern hier ankamen.
Dies ist alles, was man bei einem kurzen Abstecher von Commoner Town an Eindrücken sammelt – denn gleich hinter den Clume- Bäumen wird der Sumpf tiefer, und die Grasinseln schrumpfen zu winzigen Flächen inmitten eines Bayous aus dunklem Wasser, in dem Wurzeln driften; zuweilen stürzen sich irgendwelche zuckenden Lebewesen mit einem unheimlichen Platschen in den Schleim. Dort leuchten die Blätter der Bäume in einem intensiveren Blau, und je weiter man in den Sumpf vordringt, desto höher werden sie und blenden das Licht aus. Um diesen Wald zu erforschen, bräuchte man ein Boot, einen Kahn oder einen Nachen mit einer langen Stange, um im schlammigen Grund zu staken, oder vielleicht auch ein Paddel, das lautlos in das ruhige dunkle Wasser eintaucht und einen durch das Blätterlabyrinth befördert.
Nicht daß man es nicht schon versucht hätte. Einige risikofreudige Männer haben mehr oder weniger seetüchtige Fahrzeuge konstruiert und sich damit auf eine Forschungsreise begeben; ein paar leichtsinnige Jungen aus dem Volk und vielleicht ein oder zwei Mädchen haben Boote gebaut, sind damit in den großen Mangrovenhain eingefahren, haben sich an den langen Weinranken entlanggezogen und sind immer weiter in die von Lichtreflexen durchdrungenen Schatten des Sumpfwaldes vorgestoßen. Es waren nicht viele. Vielleicht waren es aber doch mehr, als man annahm, denn von denen, die einfuhren, sind viele nicht wiedergekehrt. Erwachsene Männer von fremden Planeten haben es auch versucht, aber sie sind genauso verschollen wie die Jungen und Mädchen.
Und jene, die zurückkamen? Was wußten sie zu berichten, außer daß es feucht und dunkel und glitschig war und mit zunehmender Entfernung immer feuchter und dunkler und glitschiger wurde? Im Grunde waren ihre Berichte sehr dürftig. Es hatte fast den Anschein, als ob sie sich nicht mehr daran erinnerten, was sie gesehen hatten, dort in den Tiefen des finsteren Sumpfwaldes. Als ob sie zufällig als Schlafwandler hineingegangen und wieder herausgekommen wären, ohne etwas gesehen oder gehört zu haben.
Aber wen interessiert das schon? Besteht denn überhaupt eine Notwendigkeit, sich dort hineinzuwagen? Schließlich geht doch nichts Bedrohliches vom
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