Monströse Welten 1: Gras
Mädchens hoch. »Janettas Augen waren wie Wasser auf einem Stein. Die Sonne spiegelte sich in ihnen. Und nun schau dir das an! Diese Augen sind wie die Pfützen im Keller, die im Frühling durch das Schmelzwasser gebildet werden. Keine Sonne. Kein Leben. Nichts Gutes.«
Amy entriß ihm den Arm. »Ich weiß nicht, was du damit sagen willst.«
»Wenn ich in diese Augen schaue, sehe ich nur in einen dunklen Abgrund, auf dessen Boden ein verstümmeltes Ungeheuer herumkriecht. Sie hat einen Kurzschluß. Sie haben etwas mit ihr gemacht. Sie hat keine Gefühle mehr. Sie erkennt niemanden mehr.«
»Bring sie zurück, Shevlok. Ich weiß, daß nichts mehr in ihr ist…«
»Oh, es ist durchaus noch etwas in ihr. Etwas Schreckliches und Abartiges. Etwas, das ihnen von Nutzen sein könnte…« Er keuchte, vom Schmerz überwältigt. »Sie sollen verdammt sein.«
Seine Schwester lachte bitter und rieb sich den schmerzenden Arm. »Wer soll verdammt sein, Shevlok? Sie? Du bist doch auch einer von ihnen. Du hast mitgemacht. Du und Vater und Onkel Figor, ihr alle wußtet, was die Hippae mit Mädchen machen, und trotzdem mußte ich mitreiten, ich, Emmy und Dimity.«
Er schüttelte den Kopf wie ein gereizter Stier. »Ich wußte eben nicht, was die Hippae taten.«
»Mein Gott, Shevlok, was dachtest du dir denn dabei, als die Mädchen verschwanden? Als sie vermißt wurden? Wie hast du dir das erklärt?«
»Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß sie das taten«, sagte er. »Das hätte ich nie für möglich gehalten.«
»Hättest du nie für möglich gehalten!« schrie sie. »Richtig! Hättest du nie gedacht. Schließlich warst du auch nicht davon betroffen. Oh, verdammt, Shevlok. Gib den Hippae nicht die Schuld für ihren Zustand.
Du bist schuld daran. Du und Vater und Figor und alle verdammten Reiter…«
»Nicht… nicht meine Schuld.«
»Wenn das nicht passiert wäre, hättest du Janetta geheiratet und eure Kinder auch auf die Jagd geschickt«, hielt sie ihm vor. »Deine Töchter wären verschwunden und deinen Söhnen wären die Arme und Beine abgebissen worden, aber du hättest sie weiter reiten lassen!«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich weiß nicht.«
»Wirst du heute an der Jagd der bon Laupmons teilnehmen?«
Er zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich.«
»Siehst du! Du kennst die Gefahr, reitest aber trotzdem. Und wenn ein Mädchen der Laupmons oder Haunsers verschwindet, kümmert dich das nicht, weil du ja nicht in sie verliebt bist.« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und deutete auf das schlafende Mädchen. »Was soll nun mit ihr werden?«
»Eine Frau aus dem Dorf wird sie füttern, waschen und mit ihr spielen.«
»Wenn du und Vater auf die Jagd geht…«
Er schüttelte sich und schaute ihr zum erstenmal in die Augen. Er versuchte ein Lächeln. Er liebte sie und Emeraude. Daran versuchte er sich immer zu erinnern. Er liebte sie, Emeraude, Sylvan und seine Mutter. »Ich habe von Emmy gehört. Du brauchst einen Gleiter, nicht wahr? Um Emmy nach Commons zu bringen. Wie geht es ihr denn?«
»Vater hat sie übel zugerichtet, bevor er von ihr abgelassen hat. Aber sie wird nicht sterben, falls du das meinst. Nicht, wenn ich sie von hier fortbringe.«
»Dann bring sie weg.«
»Vater hat den Bediensteten gesagt, sie sollen keine Anweisungen von mir entgegennehmen. Aber das gilt nicht für dich.«
»Ich werde dem alten Murfon Bescheid sagen. Sobald Vater zu den Laupmons unterwegs ist, wird Murfon dich abholen. Ich sage ihm, du würdest im Dorf auf ihn warten. Paß aber auf, daß niemand dich sieht.«
»Soll ich sie auch mitnehmen?« Amy wies auf das Mädchen auf dem zerwühlten Bett.
Taumelnd erhob Shevlok sich, ging zum Bett und betrachtete die schlafende Gestalt. Er schluchzte, wobei das eher aus Zorn als aus Kummer geschah. »Wäre wohl das beste. Wenn sie hierbleibt, bringe ich sie vielleicht noch um.«
14
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Rigo bat Sebastian Mechanic, ihn zum Anwesen der bon Laupmons zu begleiten. Außerdem engagierte er Persun Pollut und Asmir, wobei er sich wünschte, daß die Männer stärker wären, Waffen trügen und vor allem keine Gemeine, sondern bons wären, damit man sie ernst nehmen würde. Diese Überlegungen änderten jedoch nichts an den Tatsachen. Sie waren nun einmal Gemeine, und Waffen gab es auch nicht auf Gras; er hatte jedenfalls noch keine zu Gesicht bekommen.
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