Monströse Welten 1: Gras
können. Nein, was auch immer Marjorie auf Terra getan hatte, sie hatte es diskret getan und Rigo nicht ins Handwerk gepfuscht…
Wenn er diesen Gedanken weiterverfolgte, würde er sich noch selbst ein Bein stellen. Deshalb knüpfte er wieder an die früheren Überlegungen bezüglich der Waffen an. Weshalb gab es keine Waffen auf Gras? Sicherlich waren die Ordnungskräfte in Commons mit Schlagstöcken und Paralysatoren ausgerüstet. Solche Utensilien brauchte man einfach auf dem Hafen und in den Tavernen, um Randalierer zur Räson zu bringen. Weshalb waren die Leute auf den Estancias unbewaffnet? Anstatt sich bei Persun zu erkundigen, der es sicher gewußt hätte, verharrte Rigo lieber im Zustand der Ignoranz; das war wieder mal typisch für ihn.
Sebastian meldete Bereitschaft, und Rigo bestieg den Gleiter. Der Flug verlief schweigend. Die bon Laupmon-Estancia befand sich etwa eine Stunde entfernt, noch weiter östlich als das Anwesen der bon Damfels’. Rigo fragte sich, wie er dem Obermun Lancel bon Laupmon gegenübertreten solle. Was er Eric bon Haunser und dem Obermun Jerril bon Haunser sagen solle. Beide hatten sich bei der Ankunft der Yrariers auf Gras kooperativ und diplomatisch verhalten. Aber sie waren auch Jäger, und Jäger handelten nun mal irrational.
Ein Gespräch mit Gerold bon Laupmon, Lancels Bruder, hatte keinen Zweck. Persun zufolge war der Horizont des Mannes außerordentlich begrenzt. Lancel war Witwer. Es gab einen Sohn, Taronce, der irgendwie mit den bon Damfels’ verwandt war, aber Rigo war ihm bisher noch nicht begegnet. Vielleicht hatte es noch mehr Kinder gegeben. Vielleicht waren sie verschwunden, und bon Laupmon hatte diese Tatsache verdrängt, wie Stavenger es auch getan hatte. Und wie er es weiterhin tat.
Rigo knirschte mit den Zähnen. Es hatte auf Terra eine Zeit gegeben, da Kinder geopfert wurden. Moloch. Poseidon. Sogar Gott. Vor langer Zeit hatte man barbarische Riten auf Terra gepflegt. Wildgewordene Mänaden hatten Kinder totgebissen. Geheimbünde hatten ihr blutiges Treiben unter dem Deckmantel absoluter Verschwiegenheit praktiziert. Dennoch war ihm keine terranische Epoche bekannt, in der die Menschen ihre Kinder verloren und das verdrängt hätten. Niemals. Und heute gab es das überhaupt nicht mehr. Nur hier, auf Gras.
Er schauderte und atmete tief durch. Er war verwirrt. Weshalb nahm er überhaupt an dieser Jagd teil? Wollte er wirklich wieder ausreiten? Obwohl er nun Bescheid wußte?
Weshalb wollte er mitreiten?
Natürlich, weil er Unterstützung bei der Suche nach Stella brauchte.
Aber von wem sollte die kommen? Er ging die Liste aller bons durch, die er kannte, sortierte sie nach Familien, hakte sie ab und kontrollierte die Liste erneut.
»Pollut«, sagte er schließlich. Er schämte sich. »Wird mir jemand helfen, meine Tochter zu suchen?«
Persun Pollut sah ihn nachdenklich an. Um die Augen sah Seine Exzellenz aus wie eine alte Holzfigur, abgeschliffen und schartig. Im ersten Moment wollte Persun ihm schon eine ausweichende Antwort geben, besann sich dann aber eines anderen. Er war es Lady Westriding schuldig, ihm die Wahrheit zu sagen.
»Nein«, beschied er ihn. »Niemand wird Ihnen helfen.«
»Marjorie hat mich gewarnt«, flüsterte Rigo.
Dennoch hörte Persun ihn. »Viele von uns haben Sie gewarnt, Sir. Lady Westriding hat einen klaren Verstand. Diese Hippae haben sie nicht in ihren Bann gezogen.«
»Glauben Sie, es stimmt, daß sie das Bewußtsein der Menschen beeinflussen?«
Persun mußte an sich halten, um nicht spöttisch zu klingen, als er erwiderte: »Hat der Botschafter eine andere Erklärung?«
»Landeanflug!« meldete Sebastian. »Eine beträchtliche Menge hat sich im Hof versammelt, Sir. Es hat den Anschein, als ob sie uns erwarten.«
Mit einem flauen Gefühl im Bauch schaute Rigo nach unten. Er blickte in viele bleiche Gesichter. Und die ersten Hippae waren bereits eingetroffen! Es hatte wirklich den Anschein, als ob sie erwartet würden. Er verspürte den Impuls, Sebastian anzuweisen, auf Gegenkurs zu gehen und zurückzufliegen. Aber das wäre Feigheit hoch drei gewesen! Lieber tot als ehrlos, sagte er sich sarkastisch. Natürlich.
»Gehen Sie runter«, sagte er.
Als er die Luke öffnete, wurde er von Obermun Jerril bon Haunser erwartet. Das Gesicht des Mannes war ausdruckslos.
»Eure Exzellenz«, begrüßte er ihn. »Ich habe die Ehre, Ihnen die Herausforderung von Obermun Stavenger bon Damfels zu überbringen. Er hat mich gebeten,
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