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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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erwartet, daß Marjorie Lust auf Sex hatte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, sie wäre dazu bereit, wenn Stella verschwunden war?
    Sie zogen sich in ihre eigene kleine Welt zurück, ohne daß eine Verständigung möglich gewesen wäre. Plötzlich ertönte Tonys Stimme im Gehölz. Als er näher kam, spürten sie, daß er und Vater James vom Ersten begleitet wurden, von Ihm. Der Name drängte sich in Marjories Bewußtsein. »Es ist Bruder Mainoas Freund«, sagte sie zu Sylvan, der keine telepathischen Botschaften empfing.
    »Ich weiß«, erwiderte er patzig. Er sah die Wesen nur schemenhaft, und hören konnte er sie überhaupt nicht. Nicht einmal für eine Stunde durfte er mit Marjorie allein sein. Es hatte den Anschein, daß überhaupt nichts von dem eintraf, was er sich wünschte.
    »Ich glaube, er will mir sagen, daß er Stella gefunden hat«, rief Tony. »Ich bin mir aber nicht sicher. Wo ist Bruder Mainoa?«
    »Hier.« Der alte Mann lehnte an der Tür eines Nachbarhauses. »Hier, Tony. Ah…« Er verstummte, wobei er den Arm zu den Füchsen ausstreckte, als ob er ihre Mitteilungen per Antenne empfangen wollte. »Ja«, bestätigte er. »Ihre Tochter. Sie haben sie gefunden.«
    »O Gott«, rief sie. »Ist sie…?«
    »Sie lebt«, bestätigte er. »Lebendig, aber sie schläft entweder oder ist bewußtlos.«
    »Sollen wir die Pferde holen?«
    »Sie schlagen vor, daß sie Sie führen, wenn es Ihnen recht ist.«
    Selbst in dieser extremen Situation dachte sie an die Pferde. »Werden wir hierher zurückkommen?«
    Nach einer Weile machte Bruder Mainoa eine Geste. »Ja.« Er griff sich an die Hüfte, als ob er Schmerzen hätte und schüttelte den Kopf. »Ich werde hierbleiben, wenn Sie nichts dagegen haben. Dafür brauchen Sie mich nicht.«
    Vater James sah Mainoa besorgt an und beschloß, bei ihm zu bleiben. Die anderen stiegen mit einem Gefühl des Unbehagens auf die Füchse und ritten durch den Wald, über Stege, Pfade und durch Tümpel. Die Baumstadt verschwand in der Dunkelheit. Schließlich erreichten sie den Waldrand und sahen die Sterne. Die Fuchsrücken waren breiter als Pferderücken – und sie hatten einen anderen Muskeltonus. Sie wirkten entgrenzt. Man hatte weniger das Gefühl, auf ihnen zu reiten, als getragen zu werden wie ein Kind. Die Botschaft war klar. ›Wir lassen euch nicht fallen.‹ Nach einer Weile entspannten sie sich und paßten sich dem Rhythmus der Bewegungen an.
    Sie spürten, daß sie am Waldrand von anderen Füchsen erwartet und am Sumpf entlanggeführt wurden. In Luftlinie gemessen wäre die Entfernung gering gewesen, aber sie brauchten dennoch recht lange, weil sie Sumpfarme und Baumgruppen umgehen mußten. Schließlich kamen sie zu einer Senke, die von einem Fluß durchzogen wurde; es war das erste fließende Gewässer, das sie auf Gras zu Gesicht bekamen. Schließlich mündete der Fluß in einen See. In einem Grasnest am Ufer lag Stella, in Embryonalhaltung, barfuß und halbnackt. Sie hatte den Daumen in den Mund gesteckt.
    Als Marjorie sich neben Stella hinkniete und sie berührte, wachte das Mädchen auf und schlug schreiend um sich. Dann wiederholte sie ständig ihren Namen: »Stella, ich heiße Stella, Stella« und wälzte sich so vehement herum, daß Marjorie weggestoßen wurde. Rillibee packte das Mädchen und nahm es in die Arme. Schließlich beruhigte es sich und hörte auf zu schreien. Rillibee redete mit leiser Stimme auf Stella ein. Tony berührte sie. Sie zuckte zusammen und öffnete den Mund, als ob sie wieder schreien wollte. Tony zog sich zurück; sie zitterte zwar noch, schrie aber nicht mehr. Sie ließ nicht einmal zu, daß Sylvan sie berührte, und jedesmal, wenn Marjorie ihr zu nahe kam, bekam sie einen Schreikrampf, wobei ihr Gesicht sich vor Schuld, Schmerz und Scham verzerrte.
    Rillibee, der schließlich ein Fremder für sie war, durfte sie halten; anscheinend ertrug sie jedoch nicht die Nähe von Personen, die ihr bekannt waren. Marjorie wandte sich ab; sie spürte Schmerz wegen der Zurückweisung und war gleichzeitig schier in Ekstase, weil sie sie endlich gefunden hatte. Immerhin zeigte Stella Reaktionen. Zumindest wußte sie ihren Namen. Wenigstens war sie noch imstande, zwischen Bekannten und Fremden zu unterscheiden. Zum Glück war sie nicht wie Janetta.
    »Marjorie«, sagte Sylvan und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.
    Sie straffte sich, nickte und meldete sich nach kurzer Überlegung zu Wort. Es hatte keinen Sinn, sich vor Kummer zu verzehren.

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