Monströse Welten 1: Gras
Füße wirbelten über den Boden. Dann ertönte ein Schrei, ein zweiter. Was auch immer sie verfolgte, hatte die Jagd für einen Augenblick unterbrochen. Highbones und die zwei hinter ihm blieben nicht stehen, um die Identität ihrer Jäger zu ermitteln.
Dann setzte das Geheul wieder ein. Die Verfolger kamen zwar schnell näher, aber dennoch schafften sie es bis zu den Ausläufern des Sumpfes am Waldrand.
Erst als sie die tieferen Stellen erreicht hatten, die im Zwielicht ölig schimmerten, blieben sie stehen.
»Was nun?« fragte Long Bridge. »Willst du etwa durch den Sumpf?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Highbones. Er musterte die mit Ranken behangenen Bäume, die aus dem Sumpf wuchsen. »Natürlich nicht.« Er berührte eine Liane und fragte: »Wird er klettern?« Dann schwang er sich an einer Ranke auf den ersten Ast. »Wird er klettern?«
Auf halber Höhe hielten sie inne und überflogen den Weg, den sie gekommen waren. Das Gras wogte unheimlich, aber nichts war zu sehen. Auch von Little Bridge und Ropeknots war nichts zu sehen. »Es hat sie erwischt«, sagte Steeplehands, nachdem sie eine Weile gewartet hatten. »Sie sind tot, Bones. Als ob sie vom Turm gefallen wären. Genau dasselbe.«
Die drei wechselten Blicke und schwangen sich dann routiniert in die Höhe.
In seinem Privatquartier in der Abtei suchte Administrator Jhamless Zoe nach dem Paket, das ihm sein alter Freund Cory Strange von Heiligkeit geschickt hatte. Er hatte es versiegelt und vor neugierigen Blicken versteckt. Nun, da er Mainoas Buch gelesen hatte, mußte er sich den Brief noch einmal durchlesen.
Das Paket war mit einem Zahlencode gesichert, und wenn Jhamless verhindern wollte, daß das Paket in seinen Händen hochging und ihm den Kopf abriß, mußte er gleich beim erstenmal die korrekte Zahlenfolge eingeben. So ein Unsinn. Nun, irgendwie mußte das Büro für Sicherheit und Akzeptable Doktrin auf Terra seine Existenz schließlich rechtfertigen, und sei es mit derart schwachsinnigen Übungen. Codierte Umschläge. Briefbomben.
Nachdem er die Ladung entschärft hatte, blätterte Jhamless den Stapel durch, wobei er sich daran erinnerte, daß er seinem Freund jedes Vorkommnis auf Gras melden sollte. Frustriert studierte Jhamless den beigefügten Routenplaner. Auch wenn ihm sehr daran gelegen war, die Freundschaft mit dem Hierarchen zu festigen, hatte es keinen Sinn, ihm die Sache mit Mainoa zu melden. Der Planet, auf dem der Hierarch das nächstemal Station machen würde, war nämlich Gras.
Jhamless faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche. Er wußte nun Bescheid. Er würde ihn später vernichten. Der Rest der Sendung – zwölf Seiten mit klerikalem Gelaber und der Routenplanung des Hierarchen – konnte ruhig von jedem eingesehen werden.
Ob er nun vorab Meldung machte oder nicht, bei seiner Ankunft würde der Hierarch von seinem Freund Nods einen umfassenden Rapport erwarten. So, wie Mainoa sich in seinem Buch geäußert hatte, wußten entweder die Leute auf Opal Hill etwas oder Mainoa selbst. Die zentrale Frage lautete: Gab es ein Gegenmittel? Darauf verlangte der Hierarch eine Antwort! Bruder Mainoa war verschwunden und stand somit nicht für eine Befragung zur Verfügung. Also gab es nur noch einen, der vielleicht informiert war. Roderigo Yrarier. Er war nicht einmal ein Geheiligter! Ein häretischer Altkatholik, nicht besser als ein Heide!
Der Ältere Bruder Jhamless zitierte Yavi Foosh in sein Büro. »Stell fest, wo Botschafter Roderigo Yrarier sich zur Zeit befindet. Arrangiere ein Treffen zwischen uns.«
Yavi scharrte mit den Füßen und senkte den Blick.
»Nun?«
»Älterer Bruder, es wäre möglich, daß er tot ist.«
»Tot!«
»Bei den bon Laupmons hat es einen Zwischenfall gegeben. Mit vielen Toten. Es sind auch Hippae getötet worden. Und dieser Botschafter war der Auslöser für diesen Vorfall. Ich weiß nur, daß seine Bediensteten ihn ins Hafenkrankenhaus gebracht haben, aber vielleicht ist er auch schon tot.«
»Tot.« Der Ältere Bruder Jhamless runzelte die Stirn und setzte sich an den Schreibtisch. Ihm war übel, und er spürte einen Anflug von Panik. Von einer solchen Meldung wäre Cory gar nicht angetan. »Nun, wenn er nicht tot ist, muß ich ihn sprechen. Such ihn.«
Yavi schlurfte aus dem Raum, um den Auftrag auszuführen; derweil fragte Jhamless sich düster, wie der neue Hierarch wohl auf folgende Meldung reagieren würde: ›Lieber Bruder in Heiligkeit. Die beiden einzigen
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