Monströse Welten 1: Gras
Bescheid, dessen war sie sich sicher. Sie wußten es, aber sie schwiegen. Und der arme, alte Mainoa war so müde und deprimiert, daß sie ihn nicht mehr bitten wollte, es noch einmal zu versuchen.
Tony und Vater James erforschten die Baumstadt. Marjorie hatte angenommen, daß Sylvan sie begleitet hätte. Erst als die anderen schon lange weg waren und nicht mehr eingeholt werden konnten, überzeugte sie sich vom Gegenteil.
Sylvan hatte das so arrangiert. Nun, da Marjorie fern von ihrer Familie und ihrem Mann war, für den sie, wenn man ihr zuhörte, anscheinend nichts mehr empfand – da sie also fern von alledem war, wollte er wieder von Liebe sprechen. Sie würde ihn wahrscheinlich wegschicken. Darauf würde er erwidern, er wüßte nicht, wohin er gehen sollte und seinen ganzen Charme spielen lassen. So stellte er sich das vor. So hatte er es sich ausgemalt.
Um so erstaunter war er, daß sie ihn überhaupt nicht fortschickte. Statt dessen schaute sie ihn so entrückt an, daß ihm fast unheimlich wurde. »Ich finde Sie sehr attraktiv, Sylvan. Rigo habe ich vor unserer Hochzeit auch attraktiv gefunden. Erst danach habe ich erkannt, daß wir gar nicht zusammenpassen. Ich frage mich, ob es mit Ihnen genauso wäre.«
Was sollte er darauf erwidern? »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Er hat sich mir nie geöffnet«, sagte sie mit einem wehmütigen Lächeln. »Er setzt sich überhaupt nicht mit meiner Persönlichkeit auseinander, sondern kritisiert mich nur. Das scheint ihm richtig Spaß zu machen. Eugenie schneidet im Vergleich zu mir viel besser ab. Vielleicht liegt es auch nur daran, daß er im Grunde keine Anforderungen an sie stellt. Außerdem kann er sie nach Belieben formen. Sie ist wie Wachs in seinen Händen und gibt ihre Persönlichkeit völlig für ihn auf.« Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Anfangs habe ich es auch versucht. Es hat aber nicht funktioniert. Ich kann mich nicht selbst verleugnen. Ich hätte etwas anderes sein können, eine Freundin vielleicht, aber das entsprach nicht seiner Vorstellung von der Rolle einer Ehefrau; also waren wir keine guten Freunde, Rigo und ich.« Sie drehte sich zu Sylvan um und musterte ihn mit festem Blick. »Ich werde nie jemanden lieben, der nicht zuvor mein Freund war, Sylvan. Ich frage mich, ob wir Freunde sein könnten.«
»Natürlich!«
»Gut, dann verbleiben wir so.« Sie lächelte ihn an, doch das Lächeln erlosch sofort. »Zuerst muß ich mein Kind finden. Ich habe keine andere Wahl, selbst wenn ich dabei umkomme. Sie können mir dabei helfen. Und wenn wir das geschafft haben, wartet eine andere Aufgabe auf uns. Überall sterben die Menschen. Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Wenn Sie mich wirklich lieben, dann sprechen wir darüber, was zu tun ist, aber nicht über uns. Wir dürfen uns jetzt nicht zu nahe kommen. Mit der Zeit, wenn wir Erfolg haben und überleben, werden wir zusammenwachsen und Verständnis füreinander entwickeln. Vielleicht werden wir Freunde.«
»Aber… aber…«
Sie schüttelte warnend den Kopf. »Wenn Sie dazu nicht bereit sind, sollten Sie mir Ihre Liebe zeigen, indem Sie mich in Ruhe lassen. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie für meine Zwecke eingespannt habe, aber ich brauchte Sie als Führer. Mehr als eine Entschuldigung habe ich nicht für Sie. Solange wir Stella nicht gefunden haben, habe ich für nichts anderes Zeit, auch nicht für einen Streit.«
Sie beugte sich über das Geländer, wobei ihr das Haar wie ein goldener Schleier über das Gesicht fiel. Auch wenn sie Stella manchmal vergaß, so kehrte die Erinnerung nach wenigen Augenblicken zurück. Wie die Umkehrung einer Geburt. Als ob sie das Kind wieder in ihren Körper einschließen wollte, wo sie sicher und geborgen war. Trotz des Schmerzes, den sie verspürte, wußte sie jedoch, daß das gleichermaßen obszön wie unmöglich war. Sie wußte auch, daß es sinnlos gewesen wäre, die Beherrschung zu verlieren und in Depressionen zu verfallen. Genauso zwecklos wäre es, sich mit Sylvan abzulenken, obwohl der Gedanke ihr schon gekommen war. Sie hatte sich gefragt, ob er wohl auch so wäre wie Rigo. Ob alle Männer so wären wie Rigo. Schrecklich, diese Ungewißheit! Nein, sie würde es nicht tun. Zumindest müßte sie sich später keine Vorwürfe deswegen machen. »Stella«, sagte sie laut. Die Erinnerung überkam sie wieder.
Sylvan ärgerte sich über sich selbst. Wenn Stella tot wäre, hätte er von vornherein nicht
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