Monströse Welten 1: Gras
worden war, wie ist sie dann hierhergekommen?«
»Das haben wir uns auch schon gefragt, Süßer«, sagte Ducky Johns. »Die ganze Zeit. Nicht wahr, Teresa? Und die einzige Antwort ist, daß es noch einen anderen Weg geben muß, den wir bisher nicht kannten.« Ducky hatte so viel Angst, daß ihr das Flirten vergangen war.
»Den wir bisher nicht kennen«, korrigierte Teresa.
»Natürlich kennen wir ihn, mein Schatz«, widersprach Ducky. »Wir wissen, daß es ihn gibt. Wir wissen nur noch nicht genau, wo er verläuft. Sofern diese seltsamen Fuchswesen sie nicht hergebracht haben, was natürlich auch möglich wäre.«
Erschöpft wie er war, vernahm Rillibee das alles wie durch einen Schleier. »Ich glaube nicht, daß die Füchse sie gebracht haben«, sagte er. »Bruder Mainoa hätte das gewußt.«
»Kenne ich diesen Bruder Mainoa, den Sie ständig erwähnen?« fragte Alverd Bee.
Rillibee half ihm auf die Sprünge.
Sylvan kam wieder zu ihnen. Er war blaß und wirkte bedrückt. Dimity war zwar bei Bewußtsein, erkannte ihn aber nicht. Emmy war bewußtlos, befand sich jedoch auf dem Weg der Besserung. Rowena schlief. Nur Amy hatte mit ihm gesprochen und ihm gesagt, sein Vater sei tot. Verwundert stellte er fest, daß er überhaupt keine Trauer verspürte.
Rillibee berichtete dem Bürgermeister von Mainoas Versuchen, die Arbai-Dokumente zu übersetzen.
»Und Sie sagen, ein Teil sei schon übersetzt?« rief Roald, wobei kein Erstaunen mitschwang, sondern nur eine starke Erregung. Das graue Haar ringelte sich wie eine stachelige Aureole um die Ohren; ungestüm hackte er auf der Tastatur des Tellys herum. Es hörte sich an, als ob er Nüsse knackte. »Ich möchte mir das so bald wie möglich ansehen. Ich muß nach Semling.«
»Sind Sie etwa ein Linguist?« fragte Sylvan neugierig, wobei er sich fragte, welche Verwendung wohl auf Gras für einen Linguisten bestand.
»O nein, mein Junge«, erwiderte Roald. »Meine Familie hat eine Spedition. Was die Sprachen betrifft, so bin ich nur ein Amateur.« Er sagte es, ohne Sylvan überhaupt anzuschauen und wandte sich dann an Rillibee. »Wer war Mainoas Kontaktperson auf Semling?«
Solcherart verabschiedet, setzte Sylvan sich an einen Tisch in der Nähe und stützte den Kopf in die Arme, während er das geschäftige Treiben beobachtete. In Commons herrschte ein regeres Treiben, als er gedacht hätte. Außerdem waren die Leute intelligenter und weitaus vermögender, als er es für möglich gehalten hätte. Sie verfügten über Dinge, die es nicht einmal auf den Estancias gab. Eine größere Auswahl an Lebensmitteln. Maschinen. Angenehmere Lebensbedingungen. Er fühlte sich unsicher und kam sich wie ein Narr vor. Trotz der Wut auf Stavenger und die übrigen Obermuns war er dennoch von der Überlegenheit der bons überzeugt gewesen. Nun geriet diese Überzeugung ins Wanken – standen die bons vielleicht auf einer Stufe mit den Commoners? Wie war er nur auf die Idee gekommen, Marjorie würde auf seine Annäherungsversuche eingehen? Was hatte er ihr überhaupt zu bieten?
Bei diesem Gedanken wurde ihm schier übel. Er suchte nach Worten, die eigentlich nicht zu seinem Vokabular gehörten. ›Engstirnig.‹ ›Provinziell.‹ ›Kleingeistig.‹ Wahre Worte. Was stellte ein bon unter diesen Menschen überhaupt dar? Niemand erwies ihm seine Reverenz. Niemand fragte ihn nach seiner Meinung. Rillibee und Tony hatten gesagt, Sylvan sei taub für die Botschaften der Füchse, und nun stieß er in Commons auf eine solche Ablehnung, als sei er auch in bezug auf die Menschen hier taub – und stumm. Er hätte ihre Ablehnung leichter ertragen, wenn sie Profis gewesen wären, wie der Doktor; aber sie waren bloß Amateure, wie dieser alte Mann, der sich mit Rillibee über Sprachwissenschaft unterhielt. Nur Hobbywissenschaftler. Leute, die Dinge studiert hatten, die mit ihrem Alltagsleben nichts zu tun hatten. Und jeder von ihnen war beschlagener als er! Er wollte unbedingt zu ihnen gehören, ein Teil von etwas sein…
Mühsam stand er auf und machte sich auf die Suche nach etwas Trinkbarem.
Rillibee erhob sich. »Ich habe Ihnen nun alles gesagt, Älterer Few«, sagte er zu Roald. »Ich muß jetzt zu den anderen zurück. Ich kann nicht hierbleiben.« Er gähnte und erwog, Tony zu fragen, ob er mitkommen wolle. Nein. Tony würde sicher lieber bei Stella bleiben. Und was Sylvan betraf – Sylvan blieb auch lieber hier. Marjorie legte keinen Wert auf ihn.
Er gähnte erneut, verließ das
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