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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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auf.«
    Bruder Mainoa fragte sich, wie den güldenen Engeln auf den Türmen von Heiligkeit wohl die Klauen und Schuppen der Arbai zu Gesicht stünden. »Aber das heißt doch nicht, daß sie heilig seien, Marjorie? Eher, daß sie unberührbar sind.«
    Marjorie nickte. Ja. Die Vision vermittelte diesen Eindruck. Unberührbare Arbai. Auf den Sockel gehoben. Unerreichbar.
    »Die Arbai haben den Hippae nichts Böses zugetraut?« Vater James traute seinen Ohren nicht.
    Mainoa nickte. »Nicht nur, daß sie den Hippae gegenüber ohne Arg waren. Das Paradigma des Bösen kannten sie anscheinend gar nicht. Es taucht in dem Material, das ich von Semling erhalten habe, nicht auf. Sie kannten wohl Begriffe wie ›Fehler‹ oder ›Fahrlässigkeit‹, auch ›Unfall‹, ›Schmerz‹ und ›Tod‹, aber es gibt kein Äquivalent für ›böse‹. Die Computer haben ermittelt, daß der Wortstamm des Arbai-Begriffs ›Intelligenzwesen‹ soviel wie ›Fehlervermeidung‹ bedeutet. Und weil die Arbai die Hippae für intelligent hielten – schließlich hatten sie ihnen das Schreiben beigebracht –, hielten sie es für ausreichend, sie auf den Irrtum hinzuweisen und darauf zu vertrauen, daß die Hippae sich daran halten würden.«
    »In gewisser Hinsicht hatten sie sogar recht«, sagte Marjorie. »Die Hippae haben nämlich Spaß am Töten.«
    »Es fällt mir schwer zu glauben, daß es eine solche Mentalität gibt…«, sagte Vater James.
    »Sie hat recht«, sagte Bruder Mainoa seufzend. »Sie haben das Wort decodiert, das die Hippae auf den Kavernenboden getrampelt haben. Es ist ein Arbai-Wort oder vielmehr eine Kombination aus drei Arbai-Wörtern. Das eine bedeutet ›Tod‹, das zweite ›Fremde‹ und das dritte ›Freude‹. Die plausibelste Übersetzung lautet nach Semlings Auffassung Freude am Töten Fremder.«
    »Sie halten also jeden Fremden für Freiwild?« sagte Vater James kopfschüttelnd.
    »Ist das denn so ungewöhnlich, Vater?« Marjorie lachte bitter. »Betrachten Sie doch nur unsere Heimatwelt. Hatten die Menschen denn nicht auch alle anderen Lebewesen für Freiwild gehalten? Und hatten sie nicht auch Spaß dabei? Wo sind denn die Wale geblieben? Wo die Elefanten? Wo sind die schönen Vögel, die einst in unseren Sümpfen lebten?«
    »Nun, die Bewohner der Baumstadt haben sie jedenfalls nicht auf dem Gewissen«, sagte Bruder Mainoa. »Die Hippae können weder schwimmen noch klettern; also waren die hiesigen Arbai vor ihnen sicher.«
    »Trotzdem muß es für die hier lebenden Arbai schon zu spät gewesen sein«, wandte Marjorie ein und betrachtete das schattenhafte Paar, das soeben wieder auf der sonnenüberfluteten Brücke erschienen war und sich Liebesschwüre ins Ohr flüsterte. Ein Liebespaar aus dem Schattenreich, das zu verliebt war, um die Gefahr zu erkennen. »Vielleicht sind sie gestorben, als der Winter kam. Es war auch zu spät für die Arbai auf den anderen Welten.«
    »Die Bewohner dieser Stadt müssen immun gegen die Pest gewesen sein«, sagte Vater James. »Sie hätten sich unter die Erde verkriechen können. Weshalb taten sie es nicht? Wir sind auch immun. Alle Menschen auf Gras sind immun.«
    »O ja«, erwiderte Marjorie. »Ich bin sicher, daß wir immun sind, aber nur solange wir uns auf Gras befinden. Vermutlich waren die Arbai auf Gras auch immun. Deshalb haben die Hippae sie auch getötet. Aber dieses Wissen hilft uns nicht weiter! Nichts von dem, was wir bisher herausgefunden haben, hilft uns weiter! Wir wissen nicht, wie es anfing. Und wir haben kein Gegenmittel. Ich muß ständig an die Erde denken. Ich habe eine Schwester dort. Rigos Mutter und Bruder leben dort, und unsere Nichten und Neffen. Und ich habe Freunde auf Terra!«
    »Psst«, machte er. »Es besteht doch eine Heilungsmöglichkeit, Marjorie. Wenn die Leute herkommen…«
    »Nicht einmal das ist gewiß«, widersprach sie. »Selbst wenn wir die Menschen jeder besiedelten Welt nach Gras bringen würden, wüßten wir immer noch nicht, ob sie sich nach der Ankunft in ihrer Heimat erneut infizieren. Wir wissen auch nicht, ob wir uns infizieren, wenn wir Gras verlassen. Wir wissen nicht, wie die Pest übertragen wird. Die Füchse könnten uns weiterhelfen, aber sie tun es nicht! Es hat fast den Anschein, als ob sie auf etwas warteten. Aber worauf?« Sie blickte zu einer im Schatten liegenden Masse über dem Geländer hoch. Zwei Augen schauten kurz aus dem Dunkel. Etwas griff nach ihrem Bewußtsein. Verärgert schüttelte sie den Kopf. »Ich

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