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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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die Maschinen von vorne an. Das mückenähnliche Summen nimmt kein Ende, während alle Angehörigen der Menschheit von Altvater Adam bis zum kleinen Dom verlesen werden, unaufhörlich.
    Während dieser Litanei mustert Rillibee den Älteren, lauscht mit halbem Ohr den vom Ministranten vorgetragenen Namen und stöpselt wieder den Ohrhörer ein, um der Rezitation der Maschine zu folgen. »Violet Wilberforce. Nick en Ching. Herbard Guston.« Jeder, der jemals gelebt hatte, nur nicht Rillibee Chime. Sein Name ist noch nie von der mechanischen Stimme genannt worden. Vielleicht wird er erst dann registriert, wenn er die zwölfjährige Dienstzeit beendet hat. Der Ohrhörer ist stark verstaubt. Es ist schon lange her, daß ein Zuhörer hier war, der sich für die Litanei interessierte.
    Gleich wird er sich den cleric-all besorgen und sich in Zimmer 409 im dritten Untergeschoß zum Dienst melden. Gleich. Im Moment sitzt er hier ganz entspannt und unterdrückt die Einsamkeit, indem er den Rillibee Chime- Monolog aufsagt und aufmerksam dem Klang lauscht; derweil spricht eine menschliche Stimme laute Worte in dieser leeren Hölle, wo niemand seinen Namen ruft.
     
    Als Rigo Yrarier die Raumkapsel verließ und den tief unter der Erde gelegenen Empfangsbereich betrat, wunderte er sich nicht über die Gänsehaut, die ihn aufgrund seiner abergläubischen Disposition überkam. Er war nämlich unfreiwillig hier. Onkel Carlos hatte ihm eine Nachricht gesandt, mit der Bitte zu kommen. Onkel Carlos, das schwarze Schaf der Familie. Carlos, der Ungläubige. Onkel Carlos, der Apostat, der schon vor langer Zeit vom Altkatholizismus seiner Jugend abgefallen war und nun Hierarch von… dem hier war. Rigo schaute sich um und versuchte, das hier zu definieren. Diesen Bienenstock. Diesen unheiligen Ameisenhügel. Hinter der Glasscheibe, vor der er stand, wuselten identisch gekleidete, anonyme leichenblasse Figuren wie Insekten umher.
    Rigo hatte überhaupt nicht kommen wollen, nicht einmal im Rahmen einer Hilfsmission, wie Onkel Carlos sich in seiner Botschaft ausgedrückt hatte. Für Hilfsmissionen war Marjorie zuständig, nicht Rigo, zumal er nicht einmal damit sympathisierte. Völlig sinnlos. Man konnte niemanden retten, der zu dumm war, sich selbst zu retten, und dasselbe galt auch für Heiligkeit, zumindest was Rigo betraf. Dann hatte überraschenderweise Vater Sandoval Rigo bedrängt, dem Gesuch zu entsprechen. Zweifellos hatte der Vater dafür seine Gründe. Er würde vermutlich einen Bericht wünschen; er würde alles über Heiligkeit wissen wollen, wie es aussah, was dort vorging. Der Klerus der Altkatholiken durfte Heiligkeit nämlich mit derselben Häufigkeit einen Besuch abstatten, wie die Altkatholiken es dem Teufel gestatteten, eine Messe zu lesen.
    Der Aberglauben, den Rigo spürte, war indessen nur eine Ursache seines Zögerns. Er steckte auch voller Ressentiments, die er jedoch erkannte und zu kaschieren versuchte, während er nach jemandem Ausschau hielt, der sich seiner annahm. Das gespenstische Fluidum der vermummten und leichenblassen Nonentität, die durch die zischende Tür trat und ihn mit einer Verbeugung begrüßte, trug jedenfalls nicht dazu bei, sein Unbehagen zu lindern. Ebensowenig wie der lange Marsch, auf den sein Führer sich nun mit ihm begab, durch verzweigte Korridore, an einer Kapelle nach der anderen vorbei, alle verlassen, alle widerhallend mit der schrillen Litanei von Namen, endlosen Namenslisten.
    Es wäre besser, sagte er sich, wenn sie Maschinen erfänden, die auch zuhören würden, anstatt nur zu reden, oder weshalb sagten die Maschinen die Namen nicht einfach still für sich auf, bis in alle Ewigkeit. Ohne dieses hornissenartige Gesumm, das ihm einen Juckreiz und Kopfschmerzen bescherte, wäre schon viel gewonnen. Irgendwo in diesem Rauschen wurde sicher auch sein Name genannt. Und der von Marjorie und den Kindern. Es gab kein Entrinnen, obwohl ihre Familien auf den Erhebungsbögen angegeben hatten, sie würden einem anderen Glauben angehören und keinen Wert darauf legen, in Heiligkeit registriert zu sein. Die Kinder sollten auch nicht registriert werden, und überhaupt glaubten sie nicht an die mechanische Unsterblichkeit und hofften auch nicht auf die körperliche Wiederauferstehung, was das größte Werbeversprechen von Heiligkeit war. Ungeachtet der Wutausbrüche seines Vaters wegen der anmaßenden Arroganz von Heiligkeit, trotz der Hysterie seiner Mutter und Vater Sandovals milden Tadels verfuhr

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