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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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meinen, es handele sich um Transportfahrzeuge; allerdings ist nie ein Schiff gefunden worden. Wiederum andere halten es für eine Kombination aus allen drei Merkmalen. Wenn es Öfen wären, sind die Leichen der Bewohner wahrscheinlich verbrannt worden, was auch die spärlichen Überreste erklären würde. Genauso plausibel ist es indes, daß die Einwohner ihren Standort gewechselt haben. Die Archäologen und Wissenschaftler sind nicht imstande, sich auf eine Variante zu verständigen, obwohl sie schon seit Generationen einen akademischen Disput führen.
    In den repräsentativeren Arbai-Städten sind bisher nur ein paar Skelette gefunden worden, jeweils einzeln oder paarweise hinter verschlossenen Türen, als ob die Arbais, die sich dem Exodus nicht angeschlossen hatten, zu wenige gewesen wären, um die Widrigkeiten eines Umzugs auf sich zu nehmen. Nicht so auf Gras.
    Auf Gras liegen die Skelette zu Hunderten in den Häusern, auf den Straßen, in der Bibliothek und auf der Plaza. Überall, wo die Grünen Brüder graben, stoßen sie auf mumifizierte Überreste.
    Bisher waren die Ausgrabungen hauptsächlich von kräftigen jungen Männern ausgeführt worden, die sich kaum dafür interessierten, was sie da zutage förderten. Allerdings gab es auch solche, die von den antiken Mauern, den antiken Artefakten und den antiken Leichen fasziniert waren. Einige wenige haben diese Aufgabe zu ihrem Lebensinhalt gemacht und verwenden ihre ganze Energie darauf. Manchmal treten gleich mehrere dieser Fanatiker auf einmal auf.
    Zur Zeit konzentriert sich jedoch nur ein Mann auf die Arbai. Wie andere schon vor ihm, hat auch er gelernt, sein Interesse vor den Behörden zu verbergen. Bruder Mainoa, einst Ministrant bei Heiligkeit, nun schon seit langem im Exil und im fortgeschrittenen Alter, mit ergrautem Kraushaar und Falten um die Augen, wobei ihm jedoch nicht die Ehrerbietung zuteil wird, die andere Ältere manchmal erfahren; Bruder Mainoa, wie seine Vorgänger ein Amateur, der seine Arbeit liebt, hat inmitten dieser antiken Steine ein Zuhause gefunden. Mittlerweile betrachtet er diese Straßen, die an Schützengräben erinnern, als sein Eigentum, die Häuser und Plätze, die Geschäfte und Bibliotheken, obwohl es dort nichts gibt, womit er etwas anfangen könnte oder was er jemals verstehen würde. Mainoa hat fast schon die Hälfte der Arbai-Leichen ausgegraben. Er hat allen einen Namen gegeben. Er verbringt fast den ganzen Tag bei ihnen. Sie sind seine Freunde geworden, wenngleich auch nicht seine einzigen Freunde.
     
    Abends verließ Bruder Mainoa manchmal die Ausgrabungsstätte und ging zu einem nahegelegenen Wäldchen, wo er sich auf einen Baumstumpf setzte, ein Pfeifchen schmauchte und einen Monolog führte. An diesem Abend lehnte er sich seufzend auf seinem Baumstumpf zurück. Die Knochen taten ihm weh. Das war indes nicht ungewöhnlich. Fast jeden Abend taten ihm die Knochen weh und zuweilen auch morgens. Es half wenig, daß er die Nächte im kaum geheizten Quartier auf einem Strohsack verbrachte, obwohl er sich doch etwas besser fühlte, seit er das Dach repariert hatte. Genüßlich sog er den aromatischen Rauch ein, stieß ihn langsam wieder aus und setzte den Monolog fort.
    »Das Purpurgras, nicht das Königsmantel-Kraut, sondern das blassere Purpur mit der blauen Blüte, das paßt gut zur Rose. Die Tests ergeben ein komplettes Protein im Mischungsverhältnis von zwei zu eins, sehr beständig. Mit dem Duft klappt es trotz der täglichen Gebete noch nicht so recht, aber es wird schon noch werden.«
    Da ertönte hoch oben im Baum ein Geräusch, wie ein lautes, interessiertes Schnurren.
    »Nun, Standard ist natürlich das Gelbgras. Kurz bevor ich das letztemal die Abtei verließ, um die Ausgrabungen fortzusetzen, hatte der Ältere Bruder Laeroa gesagt, er hätte es verbessert. Ich weiß nicht, ob ich es glauben soll oder nicht; es fällt mir jedenfalls schwer. Das Gelbgras ist fast perfekt, so wie es ist; leider kommt es so selten vor. Der kräftige orangefarbene Stengel soll auf der Sonnenseite sein und etwas tiefergesetzt, das Kleingrün und Mittelgrün auf der Schattenseite; die seligen Engel mögen wissen weshalb, aber so ist es eben. Der Ältere Bruder Laeroa sagt, am liebsten würde er es einfach anpflanzen und sehen, wie es sich entwickelt, aber es würde nur herausragen wie ein Stinkefinger…«
    Wieder das Schnurren, diesmal mit einer fragenden Klangfarbe.
    »Selbstverständlich beobachten sie uns«, seufzte Bruder

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