Monströse Welten 1: Gras
Trinkwassertank gefüllt wurden.
»Psst«, sagte der ältere Mann mit strengem Blick. Das Pumpen war Strafdienst. Ob die Arbeit leicht oder sinnvoll war, besaß in diesem Fall keine Relevanz.
Rillibee verstummte erschrocken. Es hatte keinen Zweck, sich zu wünschen, daß es schon vorbei wäre. Heute abend würde es ihm am meisten frommen, wenn es so lange wie möglich dauerte. Er dachte an das Gespräch, das er tags zuvor mit dem Älteren Bruder Jhamless Zoe geführt hatte.
»Man sagt, Junge…«, hatte der Ältere Bruder verkündet, »man sagt, du habest dich im Refektorium schlecht benommen und wüste Beschuldigungen ausgestoßen.«
Rillibee hatte schon zu einer geharnischten Gegenrede ansetzen wollen, bis er sich an Mainoas Rat erinnerte. Dann hatte er sich auf ein »Ja, Älterer Bruder« beschränkt.
»Hattest nur noch zwei Jahre abzuleisten«, fuhr der Ältere Bruder fort. Der Mann hatte ein Gesicht wie aus Kork, mit einem makellosen Teint, als ob er eine Maske tragen würde. Die Gesichtszüge waren normal, bis auf die Nase. Es war eine winzige Nase, als ob man ihm den abgebrochenen Korken einer Weinflasche ins Gesicht gesteckt hätte; die Nasenlöcher waren zu bloßen Schlitzen reduziert. Verglichen mit dieser Nase waren die übrigen Merkmale des Gesichts überproportioniert. »Nur noch zwei Jahre, und du mußtest renitent werden. Nun, das dulden wir hier nicht, verstanden?«
»Ja, Älterer Bruder.«
»Schaun wir mal, was dir aus dem Katechismus noch geläufig ist. Nun, worin liegt zum Beispiel die Bestimmung der Menschheit?«
»In der Kolonisierung der Galaxis zum Lobe Gottes.«
»Äh, und was ist die Pflicht der Frauen?«
»Kinder für die Kolonisierung der Galaxis zu gebären.«
»Und wie soll diese Kolonisierung vonstatten gehen?«
»Durch die Wiederauferstehung aller Menschen, die jemals gelebt haben, bis zurück zu Adam und Eva.«
»Und wer soll uns führen?«
»Der wiederauferstandene Sohn Gottes und alle Heiligen, die uns als die Heiligen der Letzten Tage anleiten werden, Heiligkeit, Einigkeit und Unsterblichkeit zu vollenden.«
»Hmm«, machte der Ältere Bruder Jhamless Zoe. »Du kennst deine Doktrin recht gut. Was, zum Teufel, ist mit dir los?«
»Die Auferstehung, Älterer Bruder, wird sie von den Maschinen ausgeführt?« fragte er unter völliger Mißachtung von Mainoas Ratschlag.
»Was meinst du damit, Junge?!«
»Dann wird es nämlich keine Menschen mehr geben. Die Pest wird uns alle dahingerafft haben. Werden die Maschinen die Wiederauferstehung durchführen?«
»Das gibt zehn Hiebe wegen Impertinenz«, erwiderte der Ältere Bruder. »Und noch einmal zehn für das Ablegen von falschem Zeugnis. Es gibt keine Pest, Bruder Lourai. Es gibt keine.«
»Ich habe meine Mutter daran sterben sehen«, sagte Rillibee Chime. »Und mein Vater und meine Schwester hatten diese Krankheit auch. Man sagt, daß sie manchmal erst nach Jahren ausbrechen würde…«
»Hinaus!« hatte der Ältere Bruder daraufhin gebrüllt. »Hinaus! Hinaus!« Er war so blaß im Gesicht geworden, daß Bruder Lourai sich fragte, ob der Ältere Bruder jemals einem Opfer der Pest begegnet war.
Bruder Lourai war der Anordnung nachgekommen. Seitdem rechnete er ständig mit einer Vorladung zum Empfang der zwanzig Hiebe, die der Ältere Bruder Jhamless ihm auferlegt hatte. Bisher war das aber nicht eingetreten. Die einzige Vorladung hatte er im Refektorium erhalten, und der wollte er nicht Folge leisten. Er betrieb nun eine Verzögerungstaktik und pumpte weiter Wasser für die Spülbecken.
Doch irgendwann war der Auftrag ausgeführt. Die Kessel wurden in einen Graben entleert, der zur Senkgrube führte, die Spülbecken in einen Graben, der zu den Gärten führte, und der seifige Dampf zog durch die geöffnete Tür ab, während die Brüder sich wortlos zerstreuten. Rillibees Kollege am anderen Ende des Pumpenschwengels raffte die Kutte und verschwand. Für eine Weile ließ Rillibee die Stille auf sich wirken und folgte ihnen dann.
Er spielte mit dem Gedanken, sich im Waschhaus zu verstecken. Eine Zeitlang prüfte er diese Option ernsthaft und erkannte schließlich, wie unsinnig sie war. Er zögerte jedoch, sie völlig zu verwerfen. Wo würden sie wohl auf ihn warten? Draußen auf dem Hof, oder vielleicht auf dem Pfad, der zu seinem Wohnheim führte?
»Komm schon«, ertönte da eine ungeduldige Stimme. »Bring’s hinter dich.«
Es war ihm zu anstrengend, dieser Stimme zu antworten. Noch anstrengender wäre es aber
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