Monströse Welten 2: Hobbs Land
melodische, entspannungsfördernde Mantras aus Thyker an. Bombi hatte eine sehr schöne Stimme und war schon in Serena als Opernsänger aufgetreten. Shan, der indes eine noch schönere Stimme hatte, hatte sich nie für Musik interessiert.
Volsa benutzte den Ultraschallreiniger, den sie einer Behandlung mit Wasser vorzog, und setzte sich dann ans Fenster. Sie delektierte sich an den Snacks, die sie in der Küche auf einem Tablett gefunden hatte und dachte an Sam Girat. Enthaltsamkeit war ja schön und gut, doch auf längeren Reisen zu Orten, an denen keine Baidee lebten, wünschte man sich zuweilen auch andere Gesellschaft als die eigenen Brüder. Bombi schien das kaum etwas auszumachen. Wo auch immer er sich befand, für Bombi gab es nur die Optionen ›Nimm’s‹ oder ›Laß es sein‹. Und Shan hatte sowieso streng asketische Züge. Volsa hingegen war wesentlich geselliger. Sie beschloß, Spiggy Fettle anzurufen und ihn zu fragen, ob er ihnen für ein paar Tage auf dem Plateau Gesellschaft leisten wollte. Ein Gespräch hier in der Siedlung wäre sinnlos gewesen.
Hier in der Siedlung. Beim Blick aus dem Fenster drängte sich ihr der Vergleich mit einer staubigen Westernstadt auf: eingeschossige Holzhäuser mit flachen Dächern und breiten Veranden; überwiegend ungepflasterte Straßen; sich gen Westen erstreckende Gewächshäuser; Felder in allen Farben des Regenbogens, die sich fast bis zum Horizont erstreckten. Die einbrechende Nacht warf lange Schatten auf die Straßen. Die Passanten wirkten zielstrebig, aber nicht hektisch. Kreischende Kinder liefen über die Straße, verschwanden in einer Seitengasse und kamen gleich wieder zum Vorschein. Es war eine Szene, wie sie für Kinder typisch war. Und dann fielen Volsa die vielen Katzen auf, was sie aber nicht verwunderlich fand. Die meisten Agrar-Siedler hielten Katzen, manchmal Tausende, und setzten sie zur Schädlingsbekämpfung ein. Die einheimische Rasse war ziemlich groß, mit rundem Kopf, weit auseinanderstehenden großen Augen und kurzem Haar. Manche waren einfarbig, manche getigert, und alle hatten sie lange, kräftige Schwänze. Ab und zu blieb eine Katze stehen und schaute mit interessiertem Blick zu ihr herauf, als ob sie sagen wollte: ›Aha, ein neues Gesicht.‹
Erfrischt kam Bombi aus der Dusche, wobei das dunkle, nasse Haar ihm fast bis zu den Knien reichte. »Kein Schnelltrockner«, monierte er. »Nur Handtücher.«
»Setz dich ans Fenster«, empfahl sie ihm. »Dann trocknet es schneller.« Sie stellte sich hinter ihn und nibbelte ihm den Kopf ab; nachdem sie mehrere Handtücher verschlissen hatte, waren die Strähnen zumindest nur noch feucht. Dann kämmte sie ihn, wie er es bei ihr auch oft tat, und steckte das lange Haar in einem komplizierten Verfahren hoch, bis es wieder unter den Turban paßte. Schon oft hatte Volsa sich gewünscht, die Prophetin hätte sich präziser ausgedrückt und Verstand statt Kopf gesagt. Das Gebot ›Wehrt euch gegen Manipulationen des Verstandes‹ hätte ihren Intentionen sicher eher entsprochen. Diese Langhaarfrisuren waren nämlich ausgesprochen lästig.
Musik drang an ihre Ohren, erst schwach, dann zunehmend lauter.
»Bist du schon so trocken, daß du dich anziehen kannst?« fragte Volsa.
Er nickte und wuchtete sich mit einem Seufzer aus dem Sessel. »Wer da wohl singt?«
»Es ist ein schöner Gesang.« Sie lehnte sich aus dem Fenster und hielt Ausschau nach den Sängern. »Außerdem wollten wir uns doch den Tempel ansehen, nicht wahr?«
»Mein Bedarf an verfallenen Tempeln ist gedeckt«, erwiderte Bombi.
»Sollen wir Shan aufwecken?«
»Laß ihn.« Seit sie die Erdhügel entdeckt hatten, war Shan nur noch ein Nervenbündel. »Er braucht seinen Schlaf«, sagte Bombi stirnrunzelnd.
Also unternahmen sie einen Spaziergang zu den Tempelruinen, und es bedurfte nicht mehr als einer oberflächlichen Inspektion, um zu ermitteln, daß sie den Tempeln auf dem Plateau exakt glichen.
»Was ist das denn für ein Gesang?« fragte Volsa eine Passantin.
»Der Chor?« erwiderte sie überrascht. »Ach, ich habe mich schon so daran gewöhnt, daß ich ihn überhaupt nicht mehr höre. Die Kinder haben einen Chor gegründet, und viele Erwachsene haben sich ihm angeschlossen. Maire Girat ist die Chorleiterin. Sie üben in der Nähe des Tempels. Geht einfach die Straße entlang, über den Fluß. Diese Richtung.« Lächelnd zeigte sie in die entsprechende Richtung, und die beiden schlugen den bezeichneten Weg ein.
»Ein
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