Monströse Welten 2: Hobbs Land
aufrichtiges Lächeln zu heucheln. »Der junge Mann, Ilion, ist einer unserer Archivare und wollte seiner berühmten Tante ›Guten Tag‹ sagen.«
»Du bist Domais Sohn«, sagte Maire zum jüngeren Mann, wobei sie die plumpe Anmache des anderen ignorierte. Sie kannte Männer wie Mugal Pye nur zu gut. Phaed gehörte nämlich ebenfalls zu dieser Sorte; er hatte auch immer gelächelt und Süßholz geraspelt. Aber er war voller Grausamkeit und Selbstgerechtigkeit.
»Ja, ich bin Domais Sohn«, erwiderte der Junge und musterte sie neugierig. »Bist du wirklich Maire Manone?«
»Ja, so wurde ich genannt.«
»Die Liebliche Sängerin von Scaery?«
»So nannte man mich vor langer Zeit.«
»Mugal Pye«, stellte der ältere Mann sich erneut vor und gab Sam die Hand. »Du mußt Sam Girat sein.«
»Das ist richtig«, sagte Sam, wobei er ein gewisses Unbehagen verspürte, als er dem Mann die Hand gab. Ohne daß er den Grund für dieses Unbehagen gewußt hätte.
»Singst du auch hier?« wandte Ilion sich an Maire und schaute sich um, als ob er sich fragte, ob man hier überhaupt singen könne. »Es ist ein kahles und flaches Land.«
Sie lachte freudlos. »Im Vergleich zu Scaery auf jeden Fall. Wo der Nebel so dicht ist, daß ein Obdachloser sich dort einquartieren könnte. Wo es so feucht ist, daß man nur am Feuer ein trockenes Plätzchen zum Schlafen findet.«
»Ja, es ist feucht in den nördlichen Regionen«, bestätigte er.
»Gibt es einen besonderen Grund für deinen Besuch, Junge?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur sehen, wie du hier lebst, Maire Manone. Die Leute zu Hause erkundigen sich nach dir, mußt du wissen. Ich dachte, du wolltest ihnen vielleicht Grüße übermitteln.«
»Sag ihnen, daß es die alte Maire Manone nicht mehr gibt, daß Maire Girat die Babies der Siedlung Eins auf Hobbs Land betreut und daß es ihr gut geht. Richte ihnen das aus, Junge.« Das war unverfänglich genug, zumal sie bei dem ganzen Vorgang eine innerliche Kälte gespürt hatte.
Nachdem sie noch ein wenig Konversation betrieben hatten, gingen Maire und Sam wieder. Trotz der Abneigung, die Sam gegenüber Mugal Pye empfand, nahm er ihn auf die Seite und bat ihn, seinem Vater Grüße zu überbringen. »Er soll mir mal schreiben«, sagte er. »Ich denke oft an ihn.«
Mugal Pye lächelte nur, ohne den Auftrag zu bestätigen; im Moment sollte Phaed Girat nämlich noch nichts von dieser Sache erfahren. Er stellte Sam und Maire noch ein paar belanglose Fragen, um die Tatsache zu verschleiern, daß Maire ihm schon alles gesagt hatte, was er wissen mußte.
* * *
Die von Shan Damzel auf Hobbs Land verfaßte Botschaft wurde auf Thyker von Holorabdabag Reticingh, dem Chef des Zirkels der Skrutatoren des Göttlichen Overmind, entgegengenommen, der zu dem Schluß kam, daß die Nachricht unbedingt unter die Rubrik ›Gefühle‹ fiel.
Shan hatte in seiner Botschaft mitgeteilt, daß er glaubte, etwas wäre nicht in Ordnung. Er hatte den Eindruck, daß etwas vorging. Nur daß Shan nicht imstande war, das auch zu spezifizieren. Shan hatte zwar keinen Beweis, aber er war definitiv nervös. Er erklärte sich mit Zilia Makepeace solidarisch. Gefahr war im Verzug, und man mußte etwas unternehmen.
Reticingh machte sich indes mehr Sorgen um Shan Damzels Zustand. »Vielleicht ist er krank«, vertraute er seinem molligen und melancholisch dreinblickenden Assistenten, einem gewissen Merthal, an. »Vor der Abreise hat er aber einen stabilen Eindruck gemacht. Manchmal frage ich mich, ob er die traumatischen Erlebnisse bei den Porsa jemals überwinden wird; mögen sie verrotten.«
»Das würde ihnen womöglich noch gefallen«, sagte Merthal, der durchaus Sinn für Humor hatte. »Bei seiner Rückkehr hat Shan nämlich selbst halb verfault ausgesehen.«
Die beiden standen auf dem Wohnzimmerbalkon des Chef-Appartements, hoch über einem Übungsplatz, wo einige junge Baidee, die den dreijährigen Wehr- beziehungsweise Gottesdienst ableisteten das Exerzieren übten, das bei Paraden und Prozessionen so nützlich war. Sollte jemand versuchen, die Köpfe der Baidee zu manipulieren, würde er auf Widerstand stoßen. Jeder wehrfähige Baidee zwischen der Pubertät und Senilität wurde eingezogen, wobei die Rekruten eine Spezialausbildung absolvierten, die sie zum Einsatz biologischer Waffen befähigte, welche das Rückgrat der Landesverteidigung der Baidee darstellten. Eine gut ausgestattete und hochqualifizierte F&E-Abteilung sorgte dafür, daß sowohl
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