Monströse Welten 2: Hobbs Land
kommt er doch wegen mir… ich weiß, es klingt lächerlich, aber schließlich bin ich noch immer mit ihm verheiratet«, sagte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Dieses Thema war Sam zu heikel. Das Konzept stand vor seinem geistigen Auge. Lebenslange Treue. Es war ihm egal, wie China sich dazu äußerte; er wollte es, wagte aber nicht, darauf zu sprechen zu kommen. Er befürchtete nämlich, daß die Leute, die der Ehe ablehnend gegenüberstanden, sie ihm madig machen würden.
»Du hattest dich nicht scheiden lassen, bevor du Voorstod verlassen hast?« fragte er.
»In Voorstod läßt man sich nicht scheiden, Sammy. Ich habe mit Phaed einen Bund geschlossen, vor einem Priester, wie es in Voorstod üblich ist. Dieser Bund ist unauflöslich. Zumindest für eine Frau. Für eine Frau ist der Schwur vor einem Priester heilig.«
»Aber doch nicht so heilig, daß du ihn nicht hast sitzenlassen«, sagte Sam, wobei der latent in ihm kochende Zorn an die Oberfläche drang.
Schockiert sah Maire ihn an. »Nein, ich habe ihn nicht einfach sitzenlassen. Nach Maechys Tod habe ich mit deinem Vater gesprochen und ihm gesagt, daß ich es in Voorstod nicht mehr aushielte. Ich habe ihn gebeten, mit mir nach Hobbs Land zu gehen. ›Du hast dich lange genug mit den Gharm herumgeärgert‹, hatte ich gesagt. ›Vergiß sie und komm mit mir. Auf Hobbs Land gibt es weder Abolitionisten noch Sklaven, über die du dich aufregen müßtest, und es gibt auch keine Ehe, so daß du auch dieser Bürde ledig wärst.‹ Die Ehe war ihm zuwider, Sammy. Das gilt aber für so manchen Mann von Voorstod. Sie heiraten nämlich nur aus dem Grund, weil sie auf diese Art jungfräuliche Bräute bekommen, die ihnen Söhne gebären. Die Ehe ist für sie ein notwendiges Übel. In ihrem Paradies gibt es keine Frauen.«
Den größten Teil ihrer Ausführungen hatte Sam indes einfach an sich vorbeirauschen lassen. »Wovor hast du also Angst? Daß dein Neffe von einem Priester begleitet wird, der dich zurück nach Ahabar schleift?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sein Erscheinen hier ist mehr als seltsam. Es kommt mir vor wie eine Verschwörung.«
»Verschwörung! Daß ich nicht lache«, rief er. »Mam, du bist genauso paranoid wie Zilia Makepeace! Der Junge will nur seine berühmte Tante besuchen. Von wegen Verschwörung!«
Sie straffte sich und schaute ihn düster an. »Sam, ich sage dir nun, was meine Großmutter einst zu meiner Mutter gesagt hatte, als ich noch ein Kind war. Ich habe ihre Worte nie vergessen. ›Eine Verschwörung ist dunkel und schmutzig‹, sagte sie, ›und Rache wiegt so schwer wie ein Felsbrocken, und das Handwerk eines Sklavenhändlers zieht einen Mann so weit hinab, daß er nur noch von Finsternis und Dreck umgeben ist, als ob er in einem Grab liegen würde. Ein Mann, der die Kultur des Todes pflegt, gewöhnt sich an diese Dunkelheit. Und wenn ein solcher Mann wieder ins Licht tritt, verursacht ihm das Schmerzen.‹ Nun, Sammy, dieser Neffe deines Vaters ist einer von ihnen, und es würde ihm Schmerzen bereiten, ins Licht zu treten, genauso wie deinem Vater. Bewahre dir nur den Traum von einem königlichen Vater, Sam – ich weiß sehr wohl, was du fühlst, mein Sohn –, doch glaube mir, diese Männer und ihre Freunde liegen in ihrer Höhle aus Haß auf der Lauer, und von ihnen geht eine schreckliche Gefahr aus. Das weiß ich, so wahr ich Maire Girat heiße.« Sie verstummte, und Sam war erfüllt von einem Gefühl der Verwirrung und des Schmerzes.
Nachdem er die Fassung wiedererlangt hatte, leistete er ihr im stillen Abbitte. Sie wurde alt, und die Erinnerung an die schlimmen Zeiten schmerzte sie sehr. Doch selbst wenn er ihr das zugute hielt, mußte er noch nicht alles glauben, was sie ihm erzählte. »Nun, wenn du dich aus irgendeinem Grund fürchtest, werde ich dich begleiten. Dann wird dir nichts geschehen.« Er hatte keine Ahnung, wovor sie sich überhaupt fürchtete. In seinen Augen war das nämlich die Chance, auf die er so lange gewartet hatte, der Stein, unter dem der Schlüssel zur Rückkehr nach Voorstod verborgen lag; und wenn sie nun auch eine Rolle dabei spielte, dann würde er ihre Angst eben akzeptieren und das bei seinem Vorgehen berücksichtigen.
Also gingen Maire und Sam in die Zentralverwaltung, wo das Treffen stattfinden sollte. Zu ihrem Erstaunen stellten sie fest, daß es sich um zwei Besucher handelte.
»Mugal Pye; Ihr ergebener Diener, Madam«, sagte der ältere, wobei er versuchte, ein
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