Monströse Welten 2: Hobbs Land
deiner bevorstehenden Rückkehr erfuhr. Er hatte keine Ahnung von der ganzen Sache. Vielleicht weiß er nicht einmal, daß du schon hier bist.«
Verblüfft schaute sie ihren Sohn an. »Phaed wußte nichts davon?«
»Jep hat es gesagt.«
»Hör mir zu, Sohn«, sagte sie nachdenklich. »Angenommen, sie haben mich wirklich nur aus dem Grund hergeholt, den du mir genannt hast. Angenommen, es geht ihnen wirklich nur darum, die Frauen in Voorstod zu halten beziehungsweise zur Rückkehr zu bewegen. Dann haben sie die Aktion in Fenice zwar nach Plan abgewickelt, aber von der Blockade sind sie völlig überrascht worden. Und nun will der Awateh, daß du, Samstag und eventuell auch ich sterben… und was schließen wir daraus?«
»Daß sie den ursprünglichen Plan geändert haben. Oder daß sie ihn aufgrund der Blockade ändern mußten.«
»Angenommen, ersteres würde zutreffen. Daß sie umdisponiert haben. Daß sie nicht mehr an einer Rückkehr der Frauen interessiert sind.«
»Und weshalb?« fragte Sam.
»Weil… weil eine gravierende Änderung eingetreten ist, Sam. Aber was könnte das sein? Und Phaed wußte nichts davon. Ich begreife es nicht. Ich begreife gar nichts mehr.«
Er war genauso schlau wie sie. Sie ergingen sich noch in weiteren Spekulationen, was indes auch zu nichts führte. Besorgt fuhr Maire sich über die Stirn und legte sich auf die Pritsche. Sie schloß die Augen und versuchte alle Gedanken zu verdrängen. Sam wurde durch die Halskrause am Verlassen der Farm gehindert. Die beiden saßen in der Falle und wußten nicht einmal, wann der Fallensteller vorbeikommen und über ihr weiteres Schicksal entscheiden würde.
Sam wünschte sich, Phaed würde endlich kommen. Phaed hatte weder vor, ihnen etwas anzutun noch würde er zulassen, daß ein anderer ihnen etwas antat. Als seine Mutter vor lauter Frustration und Angst in Tränen ausbrach, setzte er sich neben sie und hielt ihre Hand.
»Wir müssen einfach abwarten, Mam. Früher oder später wird man sich um uns kümmern.«
* * *
Einige Tage später kam Phaed Girat den Hügel herauf, um sich mit seiner Frau und seinem Sohn zu unterhalten. Er kam allein – ohne seine obligatorischen Kumpane –, was nicht zuletzt dadurch bedingt war, daß er seinen Mitverschwörern nicht mehr so recht traute. Die Lage war ohnehin schon kritisch genug, und da legte er keinen Wert darauf, daß ein anderer bei diesem Gespräch anwesend war und ihn vielleicht noch denunzierte. Zumal Mugal Pyes Ansinnen, daß Phaed Sarby verlassen sollte, ohne zuvor Maire und Sam besucht zu haben, bei ihm Zorn ausgelöst hatte. Weil anscheinend ständig Entscheidungen ohne sein Wissen getroffen wurden, hatte er beschlossen, von nun an auf eigene Faust zu handeln – was ihn allerdings nicht daran gehindert hatte, sich von drei Riesenbabies eskortieren zu lassen, die er jedoch draußen im Nebel stehenließ.
Die beiden Häftlinge saßen am Kamin und tranken einen Tee aus Kräutern, die Maire am Waldrand gesammelt hatte. Das Ambiente war so behaglich, daß sie darüber sogar ihre Angst vergaß. Der aromatische Duft erinnerte sie an die unbekümmerte Zeit ihrer Kindheit. Als Phaed das Zimmer betrat, glaubte er fast, die junge Frau von damals vor sich zu haben, mit klarem Blick und sorgenfreiem Gesichtsausdruck.
»Nun, Maire Manone«, sagte er beinahe erfreut.
»Nun, Phaed«, erwiderte sie, als ob sie jeden Moment mit ihm gerechnet hätte. Wenn sie jedoch gehofft hatte, daß er sich geändert hätte, sah sie sich enttäuscht. Er war nur älter geworden, ansonsten aber unverändert. Wie ein Stein, der auch nur verwitterte. Sie stand auf und schaute ihm in die Augen.
»Dad«, sagte Sam und erhob sich zögernd. »Ich hatte gehofft, daß du kommst.«
»Das ist also Samasnier«, sagte Phaed und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »In den letzten dreißig Jahren hat er sich ordentlich gemacht. Aber du hast auch zugelegt, mein Vögelchen.«
»Manche Frauen nehmen im Alter eben zu«, sagte sie emotionslos. Früher hatte es ihm immer ein besonderes Vergnügen bereitet, sie bis zur Weißglut zu reizen. Dazu hatte es keiner allzu großen Anstrengung bedurft. Sie fragte sich, ob ihm das nun auch noch gelingen würde. Sicher nicht, wenn er ihr Aussehen als Aufhänger nahm. Das war ihr mittlerweile nämlich ziemlich egal.
»Ich habe täglich Botschaften bekommen«, sagte Phaed in vertraulichem Tonfall und schloß die Tür. Dann schlurfte er durch den Raum und stützte sich auf eine Stuhllehne.
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