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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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»Ich habe auf dich gewartet«, sagte er.
    »Die Musik, die wir heute gehört haben…«, sagte sie zu ihm, als ob sie an eine Unterhaltung anknüpfte, die sie vor wenigen Augenblicken unterbrochen hatten.
    »Wunderbar«, sagte er begeistert. »Niemand singt so schön wie die Leute von Chor.«
    »…wurde von Siminone Drad komponiert.«
    »Aha.« Er sah sie kopfschüttelnd an. »Vorbei. Zu schade.«
    »Noch schlimmer«, sagte sie. »Es ist tragisch. War es wirklich nötig…«
    »Die Lage zu klären?« fragte er. »Hatte Siminone die Lage denn nicht heraufbeschworen? Curvis und ich waren zumindest dieser Ansicht.«
    »Das ist sicher richtig, aber wir hätten auch erst mit ihm sprechen können…«
    »›Ein Beauftragter, eine Lösung‹«, zitierte Danivon schulmeisterhaft und sagte sich zum wiederholten Mal, daß Frauen ungeeignet waren für diese Arbeit. Auch schöne Frauen. Auch eine schöne, blasse Frau mit Haaren wie ein Feuersturm und einem Körper wie eine kalte Flamme. »Du hättest nicht gehen müssen«, sagte er sanft. »Curvis oder ich hätten gehen können.«
    »Wieso haben wir nicht in Erwägung gezogen, mit Drad zu reden?« fragte sie. »Ich will mich nicht mit dir streiten, ich bitte dich nur um Informationen.«
    Danivon hockte sich auf die Reling. »Wenn wir mit ihm gesprochen hätten, wäre er vielleicht noch auf dumme Gedanken gekommen. Er ist ein Neuerer, und Neuerer denken. Nicht daß sie nachdenken würden, weit gefehlt. Sie sehen nicht die Konsequenzen. Und sie sind nie zufrieden mit den Dingen, so wie sie sind. Sie karten ständig nach. Siminone würde sich vielleicht mit den Weiterungen und Anwendungen seiner früheren Erlasse beschäftigen und sich weitere interessante Veränderungen ausdenken. Ein Gespräch würde ihm vielleicht eine ganze Reihe von Einsichten vermitteln. Und wenn wir dann vom Oberlauf zurückkämen, würden wir feststellen, daß in Chor neue und andersartige, aber genauso verwerfliche Dinge praktiziert werden. Ein Mann, der Veränderungen vornimmt, wird immer Veränderungen vornehmen. Du kennst die Regeln, Fringe Owldark. ›Wenn ein Tod genügt…‹«
    »›Wenn ein Tod genügt, dann ein Tod‹«, sagte sie. Natürlich kannte sie die Regeln. Lieber ein Toter als ein paar. Lieber ein paar Tote als viele. Und viele, wenn es sein mußte. Danivon hatte recht. Wahrscheinlich hätten sie sich ohnehin zwischen Siminone und der Pest entscheiden müssen. Ein Toter oder viele. Reformer waren immer ein Problem. Aber die Musik…
    »Eins haben wir aber nicht mit ihnen besprochen«, sagte sie stur. »Wie die zusätzlichen Menschen ernährt werden sollen.«
    »Ernährt?«
    »Salzmarsch liefert Nahrungsmittel an Chor. Je größer die Bevölkerung von Salzmarsch wird, desto weniger Lebensmittel gehen an Chor. Viel weniger sogar. Wir hätten das zur Sprache bringen sollen.«
    »Nach unseren Erfahrungen…«
    »Hätte das nicht funktioniert«, nahm sie ihm das Wort aus dem Mund, wobei sie sich an die Geschichtsstunde erinnerte, die Jory früher am Tag gehalten hatte.
    Danivon schaute sie voller Sympathie an. Für ihre Verhältnisse verhielt sie sich ziemlich vernünftig, und er beschloß, sie an seiner größeren Erfahrung teilhaben zu lassen. »Du hast gehört, wie Jory von der Erde erzählt hat. Damals war es das gleiche. Den Leuten zu sagen, daß sie hungern müßten, hat noch nie funktioniert. Als frischgebackener Beauftragter hatte ich immer versucht, gesunden Menschenverstand zu predigen. So sagte ich zum Beispiel: ›Mutter, du weißt doch, daß du nur zwei Babies über die Trockenzeit bringst; weshalb hast du dann drei, fünf, sieben?‹, und sie sagten mir: ›Nun sind sie aber da! Sie müssen essen!‹ Oder sie sagten: ›Abidoi wird schon für sie sorgen.‹ Und weil der Gott natürlich nicht für sie sorgt, gehen sie bei den Nachbarn betteln, die noch über Lebensmittel verfügen, weil sie nur ein oder zwei Kinder haben. Und in der Regel geben die Nachbarn ihnen auch Lebensmittel, und dann sehen beide Familien weinend zu, wie ihre Kinder verhungern. Aber niemand kommt auf die Idee, daß er selbst die Schuld dafür trägt. Jeder ist von der Vorstellung besessen, daß seine Kinder ein Lebensrecht hätten, egal, was mit den Kindern anderer Leute geschieht.«
    Sie wandte sich ab. Sie haßte es, wenn vom Tod die Rede war. Er hat so geschäftsmäßig gesprochen, so trocken, so emotionslos. Sie drehte sich abrupt um und wollte in ihre friedliche Kabine gehen.
    Und landete in Danivons

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