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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Lage? Als die Menschen hierher kamen, studierten die Arbai ihre Geschichte, um sie zu verstehen. Sie stießen auf einen Holocaust nach dem andern, ein Armageddon nach dem andern, von denen jeder so schrecklich war wie diese Lage. Die Menschen haben schon immer im Namen ihrer Götter gefoltert und Grausamkeiten im Namen ihrer Kultur verübt.«
    Sie warf die Hände in die Luft, wobei ihr weißes Haar einen Halo um ihr erzürntes Gesicht bildete.
    »Ich weiß das so gut wie die Arbai, und doch, als ich erkannte, daß eine andere Macht am Werk war, bat ich die Arbai, ihren Standpunkt zu revidieren. Die Arbai fragten mich: ›Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was die neue Macht den Menschen antut, und dem, was die Menschen sich seit jeher gegenseitig angetan haben?‹«
    »Jory…«, sagte Asner und streckte die Hand aus.
    »Ich bin gerade so schön in Fahrt, Asner. Diese Frage versetzte mich in der Zeit zurück. Zurück zu dem Planeten, auf dem ich geboren wurde. Zurück zu dem Planeten, von dem der Große Drachen und ich stammten. Zurück zu den Orten, an denen wir in den Jahrhunderten dazwischen waren. Überall haben die Menschen die Mythen der Ehre und des Todes kultiviert, überall haben die Menschen Götter verehrt, die sie vernichtet haben. Also fragten die Arbai: ›Weshalb sollte die Menschheit vor Gebräuchen und Göttern bewahrt werden, die sie sich selbst geschaffen haben?‹«
    Sie beugte sich zu Danivon hinüber und fragte ihn: »Wenn sie dir diese Frage stellen, welche Antwort würdest du ihnen geben?«
    »Ich würde etwas von Gnade sagen«, rief er. »Etwas über Mitleid!«
    »Das sagt gerade der Richtige, Beauftragter! Zumal ich das selbst schon gesagt habe. In meiner Eigenschaft als Frau habe ich sie um Gnade gebeten. Und man sagte mir, Gnade sei ein Ziel, doch das Mittel, um das zu erreichen, sei Einmischung, und der Zweck heilige durchaus nicht die Mittel. Was erstaunlicherweise das genaue Gegenteil der männlichen Theorie ist, die mir als Kind eingetrichtert wurde!«
    Sie verstummte, schrumpfte vor ihren Augen und stand dann zerbrechlich und zitternd vor ihnen. »Tut mir leid«, sagte sie und taumelte. »Ich vergesse manchmal, daß ich keine Prophetin mehr bin.«
    »Du wirst immer eine Prophetin sein«, sagte Asner zärtlich und legte den Arm um sie. »Bis es dich nicht mehr gibt. Und dann wird auch kein Bedarf an Propheten mehr bestehen.«
    »Hier bestimmt nicht«, sagte sie müde. »Weil nämlich alle tot sein werden, Gnade hin oder her.«
    »Nicht, wenn Sie die Wahrheit sagen«, knurrte Curvis. »Die Leute dort draußen, ja. Aber nicht Ihre Leute hinter der Mauer.«
    »Alle«, nuschelte Jory. »Alle. Ich sorge mich um alle, dummer Junge. Um Fringe und dich und Latibor und Cafferty. Um mein Volk genauso wie um die anderen. Die Arbai haben zwar kein Konzept des Bösen, aber einen Horror vor Schmerz, und deshalb gehen sie.« Jory drehte sich um, legte den Kopf auf Asners Schulter und klammerte sich an ihn. Die Luft hinter ihr flirrte. Schemenhafte Schuppen, Reißzähne und große, leuchtende Augen jagten einander.
    »Sie gehen?« fragte Fringe verwundert.
    Es war Asner, der antwortete: »Sie ziehen sich unter das Massiv zurück. Sie haben dort eine Art Redoute, die sie vor langer Zeit für den Notfall angelegt haben. Sie nehmen das Arbai-Gerät mit, und um deine Frage gleich zu beantworten, nein, unsere Leute dürfen nicht mitkommen.«
    »Die Arbai betrachten uns als Störenfriede«, murmelte Jory. »All diese menschlichen Gedanken und Sehnsüchte, die vom Gerät aufgefangen werden, sind schmerzhaft für sie. Als ob sie ein Steinchen im Schuh hätten, das sie bei jedem Schritt spüren. Sie kommen mit Widersprüchen nicht zurecht. Und wenn das Gerät erst einmal verschwunden ist, haben die Brannigans freie Bahn.«
    »Wie können Ihre Arbai-Freunde es nur zulassen, daß Sie sterben?« fragte Bertran die alte Frau.
    »Sie haben die Verhältnisse auf Woanders doch nicht zu vertreten«, rief Nela. »Sie sind nicht von hier! Sie würde man sicher retten!«
    »Ahhh…«, sagte Jory.
    »Ahhh…«, folgte Asners Echo.
    »Wenn sie nicht einmal Sie retten«, rief Nela, »dann wird niemand von uns überleben. Sie werden uns töten, wie sie es die ganze Zeit schon vorhatten! Es gibt keinen Ort, an den wir gehen könnten.«
    »Selbst wenn es einen solchen Ort gäbe, würde ich meine Kameraden nicht allein kämpfen lassen«, sagte Fringe, als ob diese Vorstellung ihr völlig abwegig erschienen wäre. »Und es

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