Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
ist auch besser, daß die Götter von Hobbs Land gehen. Wenn wir schon sterben, dann wenigstens frei, wie wir gelebt haben.«
    Jory sah Fringe an und schüttelte irritiert den Kopf.
    »Wart’s ab«, flüsterte Asner. »Sie wird es sich noch anders überlegen.«
    »So würde der Tod ihr aber leichter fallen«, sagte Jory.
    »Glaubst du das im Ernst?«
    »Ach, Asner. Natürlich nicht.«
    »Wann ziehen die Arbai ab?« fragte Danivon.
    »Sie sind schon abgezogen«, erwiderte Jory. »Sie sind unmittelbar nach eurer Ankunft gegangen, weil sie es nicht noch einmal erklären wollten. Erklärungen werden ihnen immer lästiger, je mehr Menschen hinter die Mauer kommen und mit ihnen über das Böse diskutieren wollen.«
    »Und das… das Arbai-Gerät?«
    »Zieht sich bereits von der Mauer zurück. Stück für Stück. Noch ein paar Tage vielleicht, und dann ist es auch verschwunden.«
    Danivon warf Fringe und Curvis einen Blick zu, ohne indes eine Reaktion zu erkennen. Curvis machte einen abwesenden Eindruck, als ob er sich in einer anderen Zeit und in einem anderen Raum befände, während Fringe den entschlossenen Ausdruck einer Heldenstatue hatte, die einen großen Triumph verkörperte – oder ein Martyrium. Was sie betraf, schien es aber auch keinen Unterschied zu machen.
    Es gab wohl nichts mehr zu sagen. Sogar Danivon schwieg.
     
    Als es Abend wurde, fand Fringe Jory auf der Terrasse. Sie streichelte eine Katze. Danivon und die Zwillinge saßen auf der Mauer. Danivon starrte in den Wald, doch Bertran und Nela beobachteten Jory, als ob sie etwas Wundervolles täte, und tatsächlich versetzten ihre Hände das schnurrende Tier in eine Stimmung der Zufriedenheit.
    »Wieso tust du das?« fragte Fringe.
    »Weil, wenn man will, sich das ganze Glück eines Lebens in einem weichen, pelzigen Körper und einer streichelnden Hand konzentriert«, sagte Jory. »Wenn man sehr alt ist, kann man das.«
    »Aha«, sagte Fringe ohne rechte Überzeugung und hob eine Augenbraue.
    »Du machst dir Sorgen«, sagte Jory, wobei sie alle meinte.
    »Bis heute nachmittag hatte ich mir keine Sorgen gemacht«, erwiderte sie nachdenklich. »Wirklich, Jory. Ich hatte sehr wohl an den Tod gedacht, doch der Tod ist der ständige Begleiter des Beauftragten. Es hatte keinen Sinn, sich Sorgen zu machen. Aber heute nachmittag machte ich mir doch welche…«
    »Gott sei Dank«, sagte Jory.
    »Vorher fühlte ich mich besser«, sagte Fringe traurig und setzte sich neben die alte Frau. »Es muß wohl daran gelegen haben, daß ich nicht ich selbst war…«
    »Nein.«
    »…jedenfalls nicht ganz ich selbst. Also sollte ich vielleicht auch ›Gott sei Dank‹ sagen.« Ihr Tonfall war klagend, als ob sie selbst nicht so recht daran glaubte.
    »Obwohl ich, weil ich schließlich sterben werde, mich auch damit hätte abfinden können.«
    »Du wirst deine Identität zurückbekommen«, sagte Jory und legte Fringe die Hand auf den Kopf. »Das zeigt sich schon daran, daß du dir Sorgen machst, wie die alte Fringe es getan hätte.« Sie seufzte und strich Fringe übers Haar. »Ich bin froh, daß du wieder die Fringe wirst, die ich mir… als Tochter ausgesucht hatte. Als Erbin. Der… ich vermache, was mein gewesen ist. Ich hätte es gehaßt, dich zu verlieren.«
    Fringe schaute sie verwundert an und fragte sich, ob sie in dieser Situation keine anderen Sorgen hätte. Es würde nämlich nichts mehr geben, das sie ihr vermachen konnte.
    »Ich möchte dir eine Geschichte erzählen«, sagte Jory, lehnte sich im Schaukelstuhl zurück und drückte die Katze an sich. »Es war einmal eine Schildkröte…«
    Nela gab einen Laut von sich, der zwischen Lachen und Schluchzen lag.
    »Kennt ihr diese Geschichte vielleicht schon?« fragte Jory. »Egal. Hört sie euch ruhig noch einmal an, Nela und Bertran. Diese Geschichte geht uns alle an.
    Es war einmal eine Schildkröte, die lebte in einem Teich: Graues Mondlicht fiel auf graues Schilf und grauen Schlamm, denn Grau ist die einzige Farbe, die Schildkröten sehen. Sie sah weder die Schönheit des Sonnenaufgangs noch das Wunder des Sonnenuntergangs. Sie sah weder das bunte Gefieder eines Kolibris noch die schillernden Flügel eines Schmetterlings. Sie hörte das Geräusch fließenden Wassers, das Rauschen und Murmeln des Flusses, den Wind in den Bäumen, und sie spürte den Unterschied zwischen Schatten und Dunkelheit. Sie war zufrieden mit ihrem Dasein als Schildkröte, handelte bedächtig und bewegte sich langsam. Sie begnügte sich

Weitere Kostenlose Bücher