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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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aber nur einen Enkelsohn – Bubba.
    Fringe wurde jedoch nicht fortgeschickt, was bedeutete, daß sie wohlgeraten war, so wie sie war. Entweder das oder sie war überhaupt nicht wohlgeraten, aber das war Paps egal.
    »Hältst du es für möglich«, fragte sie Zasper im Flüsterton, »daß es ihn einfach nicht interessiert?«
    »Denkst du oft darüber nach?« fragte Zasper.
    Das tat sie nicht. Sie versuchte vielmehr, das zu verdrängen und auch die Dinge, die sich sonst noch ereigneten. Sie verdrängte die wirkliche Welt und schuf sich eine Phantasiewelt. Manchmal verabschiedete sie sich tagelang von der wirklichen Welt. Aber nicht ganz.
    So entging ihr zum Beispiel nicht die alte Frau, die ihr ständig folgte. Fringe glaubte, daß es sich entweder um Großmutter Gregoria oder Nada handelte – schließlich kannte sie genug alte Frauen –, doch diese alte Frau tauchte hier und da auf, ohne daß sie etwas tat. Sie war einfach nur da, ein weißhaariges Geschöpf mit ausdrucksvollen dunklen Augen, die viel jünger wirkten als ihr Gesicht.
    »Wieso tauchen Sie immer dort auf, wo ich bin?« fragte Fringe sie zornig, nachdem sie sie in der Straße vor Blooms Spielsalon gestellt hatte.
    »Mache ich das?« fragte die Alte. Heute befand sie sich in Begleitung eines Mannes, der fast genauso alt war wie sie und den sie mit einem koketten Blick ansah. »Bin ich immer dort, wo dieses Kind ist?«
    »Ich dachte, es wäre gerade andersrum«, sagte der alte Mann. »Ich dachte, das Kind würde überall dort auftauchen, wo wir sind.«
    »Siehst du«, sagte die alte Frau. »Nähe bedeutet nicht unbedingt Verfolgung.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, daß wir uns nicht notwendigerweise nachlaufen.«
    »Trotzdem glaube ich, daß sie mich verfolgt«, sagte Fringe zu Zasper. »Sie heißt Jory, und ich halte sie für eine Spionin.«
    »Für wen spioniert sie denn?« fragte Zasper. »Oder was spioniert sie aus?«
    Darauf wußte Fringe keine Antwort. Wenn jemand ihr nachspionierte, dann nur aus dem Grund, weil sie aus irgendeinem Grund etwas Besonderes war. Doch darüber wollte sie nicht sprechen. Wenn man über Dinge sprach, die man wollte oder die man sich erhoffte, ging der Wunsch nie in Erfüllung.
    Also wechselte sie das Thema.
    »Mama ist nun die ganze Zeit krank«, sagte Fringe.
    »Welche Krankheit hat sie denn?« fragte er, obwohl er es sich vorstellen konnte.
    »Sie ist einfach krank«, sagte Fringe.
    Dieser Tage lag Souile oft mit Wahnvorstellungen im Bett und starrte mit weiten Augen und irrem Blick an die Decke. Die Krankheit wurde durch die fast tödlichen Dosen von Stimmungs-Spray verursacht, doch Souile gab das nicht zu, nicht einmal gegenüber sich selbst.
    »Bevor ich Char heiratete, sah ich meine Kinder vor meinem geistigen Auge«, sagte Souile zu Fringe, die ihr in Nadas Auftrag eine Schüssel Kraftbrühe brachte. »Ihr wart niemals Kinder. Ihr wart immer erwachsen, adrett und perfekt. Ihr habt euch wie Tänzer bewegt. Ihr wart erfolgreich. Ihr brauchtet mich gar nicht. Ich wußte, daß ihr schön, gesund und klug werden würdet. Ich wußte, daß ihr Talent haben und von allen, auch von mir, bewundert werden würdet, denn ich war eure Mutter. Ich dachte, wenn ihr in die Professionelle Klasse hineingeboren würdet, wäre euch wohlgetan…«
    »Nachdem sie das gesagt hatte, weinte sie«, sagte Fringe zu Zasper. Sie hatte große, geränderte Augen. »Sie erbrach die Suppe auf den Fußboden und weinte. Sie bekam keine Luft mehr, und ich hatte Angst, sie würde sterben.«
    »Was hast du in dem Moment gefühlt?«
    »Ich wußte, daß es meine Schuld war.«
    Zasper schaute sie erschrocken an. »Weshalb war es deine Schuld?«
    Fringe rang die Hände, wie sie es von Großmutter Gregoria gelernt hatte. Weshalb es ihre Schuld war? Weil sie sich nicht wie eine brave Tochter verhalten hatte. Sie hatte ihre Puppen kaputtgemacht. Sie hatte nicht gelernt, sich wie eine höhere Tochter zu benehmen. Sie hatte nicht auf Stil geachtet. Sie hatte nicht gelernt, Konversation zu pflegen. Sie kannte nicht einmal die M&P-Spiele, die sie eigentlich beherrschen sollte.
    »Ich habe beschlossen, alles zu lernen, was ich können muß«, sagte sie im Ton der Verzweiflung zu Zasper. »Ich werde mich bessern.«
    Er sagte nichts. Er war nie ein Kind der Professionellen Klasse gewesen. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
    Also nahm Fringe an Konversations- und Kosmetikkursen teil. Sie orientierte sich an ihren Mitschülern, ängstlich darauf

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