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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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sie.
    Ansonsten schien es niemanden zu kümmern. Obwohl Fringe kein Hehl aus ihren Aktivitäten machte, schienen weder Souile noch Char sich dafür zu interessieren. Allerdings waren beide auch mit anderen Dingen beschäftigt. Char war nur noch selten zu Hause. Und dann zog er sich ins Arbeitszimmer zurück und regte sich über jede Störung auf. Souile hatte sich in den letzten Jahren noch mehr zurückgezogen; sie verließ kaum noch ihr Zimmer, und wenn sie es tat, schien sie nicht zu bemerken, was um sie herum vorging.
    Niemand nahm Anteil an Fringes Leben, bis sie, als sie eines Abends nach Hause kam, an der Tür von der alten Nada erwartet wurde, die offensichtlich auf sie gewartet hatte. Das war an sich schon eine Seltenheit. Nada und Tantchen verbrachten nämlich die meiste Zeit in ihrem Zimmer und zankten sich.
    »Fringe-Mädchen.«
    »Ja, Nada.«
    Die alte Frau verschränkte die Arme vor dem Unterleib und blinzelte mit wäßrigen Augen. »Deine Mama, sie ist heute gestorben.«
    Fringe verschlug es die Sprache. Was ihr indessen unverzeihlich durch den Kopf ging, war, daß eigentlich Nada hätte dran glauben müssen, denn Nada hatte viel mehr Übung im Sterben, doch Nada stand da, schaute sie kurzsichtig an, und Fringe sah sich selbst mit offenem Mund dastehen, wobei die einzigen Worte, die ihr einfielen, dem Anlaß nicht angemessen waren.
    »Wo ist Paps?« fragte sie mit erstickter Stimme, wobei sie das Geschehene verdrängte.
    »Char hat sich im Arbeitszimmer eingeschlossen. Ari hat sich auch eingeschlossen. Er hatte sie so gern gehabt. Sie war sein Lieblingskind.«
    »Tantchen?«
    »Oben. Sie weint. Sie weint schon den ganzen Tag.«
    »Bubba?«
    »In der Schule.«
    »Wo ist Mama? Du weißt schon. Ihr…«
    »Weg«, flüsterte die alte Nada mit tränenüberströmtem Gesicht. »Char hat sie schon weggebracht.«
    Fringe umarmte Nada, weil sie nicht wußte, was sie sonst tun sollte und weil sie sich an etwas festhalten mußte. Sie weinten beide, ohne Worte des Trosts zu finden. Fringe versuchte sich daran zu erinnern, als sie Ma das letzte Mal gesehen hatte oder an das letzte Mal, als sie Ma als richtigen Menschen gesehen hatte, der lachte, vernünftige Dinge sagte und interessiert wirkte. Fringe wußte nicht mehr, wann das gewesen war. Wenn es überhaupt jemals so gewesen war, dann lag es schon lange zurück. Viele Jahre. Vielleicht, als Fringe noch ein Kind gewesen war, vor langer, langer Zeit.
    Und was sollte sie Souiles Mutter nun sagen? Daß Souile an Stress gestorben war, weil sie sich zu sehr bemüht hatte, es allen recht zu machen, weil sie einen Drahtseilakt vollführt hatte, wobei Char und seine Verwandten am einen Ende des Seils und Ari, Nada und Tantchen am anderen Ende gezogen hatten? Weil ihre Tochter sie enttäuscht hatte? Weil sie zu viele Antidepressiva genommen hatte und sich vor Kummer schier verzehrt hatte? Fringe sagte das nicht. Sie sagte gar nichts. Sie fühlte sich schuldig, weil sie nicht trauerte und grämte sich, weil sie sich schuldig fühlte.
    Als sie zwei Tage später nach Hause kam, stellte sie fest, daß die Tromses auch verschwunden waren. Char hatte sie in den sogenannten Schweinestall abgeschoben, das hiesige Altersheim, das gleichzeitig ein Armenhaus war.
    »Aber Paps, das kannst du nicht… Sie haben doch hier gewohnt!«
    »Nicht mehr.«
    »Aber hier war ihr Zuhause.«
    »Nicht mehr«, sagte er. »Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Als deine Mutter noch lebte, konnte ich nichts machen, aber sie sind nicht meine Verwandten. Sie haben noch eine Tochter und einen Sohn. Sollen sie sich um sie kümmern! Ich kann es nicht mehr.«
    Dies war das erstemal, daß Fringe damit konfrontiert wurde, daß die Tromses noch mehr Kinder hatten. Es hatte nie diesbezügliche Anzeichen gegeben. Sie verkroch sich im Modul, um sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. War sie froh, daß Ari und Tantchen verschwunden waren? Würde sie sie besuchen? Sollte sie das tun oder lieber doch nicht?
    »Im übrigen möchte ich, daß du aus diesem verdammten Modul ausziehst. Du kannst wieder dein altes Zimmer beziehen«, sagte ihr Vater beim Abendessen mit rauher Stimme und im Befehlston. Er schaute sie nicht einmal an, während er mit ihr sprach. Sie faßte es nicht als Vorschlag, sondern als einen Befehl auf, obwohl die Beweggründe ihr nicht klar waren. Betrachtete er sie nun wieder als Tochter, sie, die ihm jahrelang keine Tochter gewesen war?
    Sie war auch schon seit Jahren nicht mehr in diesem

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