Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
…«
»Wo ist der alte Doug eigentlich?«, erkundigte sich Joséphine, erstaunt, weil sich der Hund nicht wie sonst, Pfoten voraus, auf sie stürzte.
»Er hört in der Küche TSF Jazz, und es scheint ihm sehr zu gefallen!«
Joséphine öffnete die Küchentür.
Du Guesclin lag vor dem Radio, hörte My favourite things von John Coltrane und wackelte dazu mit den Ohren. Den Kopf auf die ausgestreckten Pfoten gelegt, drehte er sich nicht um und ignorierte den Eindringling.
»Nicht zu fassen, wie musikalisch dieser Hund ist«, sagte Joséphine, als sie die Tür wieder schloss.
»Kein Wunder, Maman, sein erster Besitzer war ja schließlich Komponist.«
»Und wo ist Hortense?«
»In ihrem Zimmer … Mit Gary. Ihr ist die Idee für ihre Schaufenster gekommen, sie platzt fast vor Freude und küsst alles und jeden. Du solltest die Gelegenheit nutzen …«
»Und was ist es?«
»Sie hat versprochen, es uns beim Abendessen zu erzählen … Sollen wir den Tisch decken?«
»Du kannst ja überhaupt nicht stillsitzen, mein Schatz!«
»Das ist nur, weil ich feiern möchte, und es soll doch ein perfektes Fest werden, nicht wahr, Gaétan?«
Und Gaétan nickte erneut.
Im Flur beschloss Shirley zu lächeln. Durch Lächeln wird man fröhlich, redete sie sich bedrückt ein. Nicht mehr an die rot karierte Jacke denken, ihm keinen Namen mehr geben, nicht mehr seine warme Hand auf ihrer eigenen spüren, seinen Blick, der auf ihre Lippen schielt, seinen Mund, der sich nähert und ihren eigenen in Aufruhr versetzt, die Lippen, die sie knabbert, ehe sie sie küsst. Ein von jetzt an verbotenes Glück. Nur noch eine Erinnerung. Nichts mehr, nichts mehr, nichts mehr. Nie mehr ihrem Herzen freien Lauf lassen, nie mehr den Sekundenzeiger mit dem Finger voranschieben, weil die Zeit bis zum Treffen zu langsam verstreicht, nie mehr nach seinem Fahrrad Ausschau halten, nie mehr spüren, wie mir das Herz in die Kniekehlen sackt, mir nie mehr meine Hand auf seiner Schulter vorstellen, meine Hand, die seinen Rücken streichelt, hinauf in seine Haare wandert, sie mit gespreizten Fingern kämmt, um seine dichten Locken zu spüren.
Nie mehr …
»Soll ich dir helfen?«, fragte Shirley Zoé.
»Wenn du möchtest … Nehmen wir die grünen Teller? Und das Besteck mit den Perlmuttgriffen?«
Sie kreiste um den Tisch, warf dem mit Leichenbittermiene dastehenden Gaétan Kusshände zu, flatterte von einem Stuhl zum nächsten und stellte ein Wasserglas, ein Weinglas, eine Champagnerflöte auf den Tisch.
»Wir müssen Champagner trinken, sonst wäre es kein richtiges Fest!«
Shirley schüttelte den Kopf, um den mörderischen Bienenschwarm zu verscheuchen, der um ihre Ohren summte. Vergessen, vergessen, sich Gary gegenüber nichts anmerken lassen. Ihm den Platz überlassen. Den ganzen Platz.
»Literweise Champagner«, antwortete sie Zoé fröhlich, traf dabei in ihrer Hast jedoch eine falsche Note.
Gaétan hob den Kopf. Er hatte den falschen Klang gehört, den gleichen, der ihn selbst so oft verraten hatte, und seine Augen verdunkelten sich in einer einzigen Frage: Sie auch?
Shirley betrachtete diesen Jungen, der gezwungen war, erwachsen zu tun. Da saß er nun, im Wohnzimmer über der Wohnung, in der er früher mit seinem Vater gelebt hatte … In seinen Augen sah sie, dass er nicht aufhören konnte, daran zu denken, auf Schritte zu horchen, die nicht mehr erklangen. Er kennt die Räume, kann mit verbundenen Augen hindurchgehen. Er weiß, wo sein Kinderbett stand, in dem er so oft, seinen Vater verfluchend, eingeschlafen ist. Seinen Vater, der nicht mehr lebt und der ihm fehlt. Selbst kriminelle oder unwürdige Väter fehlen einem irgendwann. Deshalb lacht er zur falschen Zeit oder lächelt gezwungen. Er schwankt haltlos zwischen seinen Rollen als verstörter Sohn und Liebhaber. Er weiß nicht mehr, wie er aufrecht stehen soll. Er würde diesen lastenden Kummer gern von sich werfen, aber er ist noch nicht robust genug, um ihn mit einem Schulterzucken abzustreifen. Also lässt er seinen zögerlichen Blick durch das Wohnzimmer schweifen, seinen traurigen Blick, einen Blick, der sich nach innen kehrt und die Welt ignoriert.
All das begriff sie, während sie Gaétan beobachtete, der kerzengerade auf dem Sofa saß.
Sie fühlte sich wie sein Zwilling. Sie, die unerschrockene Frau, die immer in der Lage gewesen war, sich zu verteidigen und den Feind zurückzudrängen, und jetzt genügte ein einziger Schlag, um sie aus der Bahn zu werfen.
Sie legte die
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