Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Messer und Gabeln mit dem Perlmuttgriff auf die weiße Tischdecke, ging zu ihm hinüber, setzte sich neben ihn, nutzte die Gelegenheit, dass Zoé und Joséphine in der Küche die mit duftenden Kräutern eingeriebene Lammkeule in den Ofen schoben, nahm seine Hand und sagte, ich verstehe dich, ich verstehe, was in deinem Kopf vorgeht … Er sah sie mit schwankendem Blick an, sie streckte die Hand nach seiner Stirn aus, strich eine Haarsträhne zurück und fügte sanft hinzu, du kannst ruhig weinen, weißt du, das tut gut … Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, nein, Jungen weinen nicht, und erst recht nicht, wenn sie eine Freundin haben! Aber danke, danke, dass Sie sich zu mir gesetzt haben … Eine lange Minute blieben sie aneinandergelehnt sitzen, Schmerz an Schmerz, sein Kopf an ihrem Kopf, Shirleys Arme um den schmalen Oberkörper des Jungen gelegt, der gezwungen war, einen Mann zu spielen. Sie stützten sich gegenseitig, teilten ihr Leid.
Als sie sich voneinander lösten, schwebte auf ihren Lippen der Anflug eines Lächelns. Gaétan stammelte, danke, jetzt geht es besser … Shirley zerstrubbelte ihm das Haar und sagte, ich danke dir auch. Er sah sie erstaunt an, und sie fügte hinzu, es tut gut zu teilen. Er verstand nicht recht, teilen, was teilen? Er ahnte, dass sie ihm ein Geheimnis anvertraute, und dieses Geheimnis bereicherte ihn, machte ihn zu etwas Besonderem, schenkte ihm Selbstachtung; sie hatte ihm etwas anvertraut, sie hatte ihm vertraut, und es war nicht schlimm, dass er nicht alles verstand. Er war nicht mehr allein, und dieser Gedanke löste den Knoten, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, als er in dieses Haus zurückgekehrt war, als er die Eingangshalle und die Treppe wiedergesehen hatte, den Aufzug und die großen Spiegel im Eingang, und er lächelte erneut. Und diesmal zitterte sein Lächeln nicht. Es wurde offen, sicher. Er schüttelte sich, ein wenig verlegen nach diesem Moment verstohlener Intimität, nahm seinen Platz als tapferer Liebhaber wieder ein und sagte, sollen wir den Tisch fertig decken? Und sie sprang gleichzeitig mit ihm auf und brach in ein abruptes Lachen aus, das immer noch den Abschied von dem Mann mit dem Bierschaumschnurrbart beweinte.
Sie wussten, dass sie von nun an Freunde sein würden.
Hortense ließ sich auf ihren Stuhl fallen und knallte die Ellbogen so fest auf die Tischdecke, dass die Gläser und Teller zitterten.
»So, geschafft. Alles fertig. Ich habe einen Bärenhunger!«
Joséphine, die gerade die Lammkeule zerlegte, hob ihr Messer und fragte: »Dürfen wir es jetzt erfahren?«
»Also …«, begann Hortense, hielt ihren Teller in der ausgestreckten Hand und verlangte ein großes, schön blutiges Stück. »Der Titel meiner sich über zwei Schaufenster erstreckenden Show lautet Rehab the detail … Rehabilitiert das Detail. Auf Englisch klingt das einfach besser. Auf Französisch kommt man sich dabei vor wie in einer Drogenklinik!«
Sie stibitzte ein paar Bratkartöffelchen und grüne Bohnen, goss Soße darüber, leckte sich die Lippen, seufzte vor Vergnügen beim Blick auf den dampfenden Teller und führte dann weiter aus: »Ich bin von den gleichförmigen Häusern des Baron Haussmann ausgegangen. Gary kann das bezeugen …«
Gary, der mit Hortenses Handy und seinem eigenen spielte und sie wie zwei Dominosteine auf die weiße Tischdecke stellte, stöhnte auf.
»Wie viel Zeit wir damit vergeudet haben, uns diese verdammten Häuser anzuschauen«, brummte er. »Tolle Ferien, echt!«
»Also weiter … Diese Fassaden sind auf den ersten Blick alle gleich, und doch ist jede einzigartig. Warum? Weil der Architekt jede mit anderen Details versehen hat, kleinen, vollkommen unscheinbaren Details, die dem Ganzen seinen unnachahmlichen Stil verleihen … und für die Mode gilt genau das Gleiche. Das einzelne Kleidungsstück ist nichts. Das einzelne Kleidungsstück ist trist, es ist banal, es hebt sich nicht von den anderen ab ohne DAS Detail. Das Detail veredelt es, verleiht ihm einen Stempel, hebt es auf eine neue Ebene … Alles klar, Herr Kommissar?«
Fasziniert hörten sie zu. In ihr verband sich die subtile Weiblichkeit der Pariserin mit dem scharfen Blick des bärtigen Meisters, der in seinem Atelier den Kohlestrich zieht.
»Weiter … Erstes Schaufenster, linke Ecke: eine vorschriftsmäßig gekleidete Frau mit dem richtigen Mantel – schwarz, der Mantel –, den richtigen Schuhen – Stiefeletten mit einem kleinen Absatz, ebenfalls schwarz
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