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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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Um ihr Feuer zu schüren, hatte sie sich immer noch mehr angestrengt, noch härter geübt, noch länger, noch mehr geschwitzt, noch weniger gegessen. Und doch war ihr Körper nie wirklich sauber geworden, und ihr Geist schon gar nicht. Nevada fragte sich, was ihre Verbissenheit von den Kasteiungen ihrer Mutter unterschied. Hatte sie eine Strafe durch eine andere ersetzt? Strafe wofür? Nevada fühlte sich schmutzig. In ihrem Kreuzbein fühlte sie noch heute etwas Hartes. Etwas, das gegen ihren kleinen Rücken drückte, wenn sie auf dem Schoß ihres Vaters saß.
    Warum sie? Warum nicht Sierra? Weil sie schmutzig war.
    Nevada setzte sich auf ein weiches Kissen und legte die Hände in den Schoß. Sie schloss die Augen. Sie atmete ein, und sie atmete aus, nicht so, wie sie es gelernt hatte, von unten nach oben, Bauch, Brust, Kehle, sondern umgekehrt, wie es in einem Buch von TKV Desikachar beschrieben war. Sie atmete durch die Nase ein und schickte den Atem von oben nach unten, durch das Feuer hindurch, das unter ihrem Bauchnabel brannte, dem Tapas , das ihre Hindernisse verbrannte, bis ganz nach unten in ihren Unterleib. Der Atem fachte das Feuer an. Dann atmete sie die schwarz verbrannte Asche wieder von unten nach oben aus ihrem Körper hinaus. Auf der Zeichnung im Buch hatte das ganz einleuchtend ausgesehen.
    Sie wollte diese Atemtechnik mit ihren Schülern üben. Sie wollte sie davor warnen, Tapas , wie sie es getan hatte, als Peitsche zu nutzen und gegen sich selber zu richten. Also atmete sie. Sie stellte sich das Feuer vor. Sie dirigierte ihren Atem nach unten, unwillkürlich fiel ihr ein, was sie ihren Schülern immer sagte: «Natürlich bleibt euer Atem in der Lunge. Das ist nur eine Vorstellungshilfe. Stellt euch vor, euer Atem erreiche eure Zehenspitzen …»
    Doch jetzt blieb Nevadas Atem stecken. Und nicht in der Lunge. Da war etwas zwischen ihren Hüftknochen eingeklemmt. Ihr Atem prallte daran ab. Sie versuchte zu sehen, was es war. Wieder und wieder atmete sie gegen die Stelle an. Plötzlich sah sie eine Metallschachtel, eine schmale, verbeulte Schatulle. Ein Klesha !, dachte sie, ganz aufgeregt, ein störender Einfluss, ein Hindernis auf dem Yogaweg! Ins Feuer damit! Verbrennen! Nevada versuchte, die Metallschachtel zu lösen und ins Feuer zu befördern, das in ihrem Bauch loderte. Doch die Metallschachtel saß fest. Sie war schon so lange da eingeklemmt, dass sie mit ihren Beckenknochen verwachsen war. Nevada dachte wieder an die Kleshas . Avidya , Verwechslung. Asmita , Ego. Raga, Gier. Dvesha , Vorurteil. Abhinivesha , unbegründete Angst. Von Metallschachteln war da nicht die Rede. Sie atmete weiter, mit gerunzelter Stirn, angestrengt, konzentriert, und gerade, als sie aufgeben wollte, sah sie durch das Metall hindurch ein Foto. Eine alte Schwarzweißaufnahme, die ein kleines Mädchen zeigte. Es war zwei oder drei Jahre alt, und es runzelte die Stirn, genau wie sie.
    Nevada öffnete die Augen. Es war Zeit für ihre Stunde. Sie wusste nicht, wie lange Lakshmi sie noch gewähren ließ. Und was sie dann tun sollte. Aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie hörte Stimmen im Vorraum, dann kamen die Schüler herein. Wolf war der Erste. Er verbeugte sich am Eingang des Studios, eine automatische, eingeübte Geste. Zen, dachte Nevada. Oder Karate. Sie lächelte ihm zu. Er rollte seine Matte aus, dann kam er zu ihr nach vorn. Er suchte sie. Er wollte mit ihr allein sein. Nevadas Herz dröhnte, es drohte ihre Brust zu sprengen. Ihr Atem verhedderte sich. Sie wollte ihn bitten, einen Schritt zurückzutreten, stattdessen sagte sie: «Morgen geh ich wieder zu Poppy.» Sie hatte versprochen, sie jede Woche zu besuchen. Das war bald einen Monat her. Wolf kauerte sich vor Nevada hin. Seine Knie berührten beinahe ihre.
    «Gut», sagte er, «gut, da bin ich froh! Ich wollte dich schon fragen, wann du sie wiedersiehst.»
    Marie kam herein, Nevada nickte ihr über Wolfs Schulter hinweg zu, ein anderer Schüler rollte seine Matte aus und suchte ihren Blick. Wolf berührte ihr Knie. Die Ameisen versammelten sich unter seiner Hand. Sie zwangen Nevadas Blick zurück zu Wolf.
    «Ich muss mit dir reden», sagte er, «allein. Geht das?» Seine Stimme klang drängend.
    Endlich, dachte Nevada. Sie nickte. «Warte nach der Stunde draußen auf mich.»
    Dann begann sie mit ihrer Lektion. Nur wenn sie unterrichtete, beruhigte sich ihr Herz. Ihr Atem wurde lang. Sie wusste, was sie tat. Sie konnte den roten Faden sehen,

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