Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
Affenjunge, der immer wieder die meditierenden Weisen störte, ihnen ihre Sachen wegnahm und ihre Altare umbaute. Zur Strafe belegten sie ihn mit einem milden Fluch: Hanuman hatte wohl unbegrenzte Fähigkeiten, aber er würde sich ihrer nicht bewusst sein. Er würde immer wieder vergessen, wozu er fähig war, es sei denn, jemand erinnerte ihn daran.
Nevada warf sich gegen Wolf, stieß ihn rücklings auf ihre breite Matratze und ließ sich auf ihn fallen. Ihre Beine umschlangen ihn, ihre Arme, ihr Mund öffnete sich, um ihn zu verschlingen. In ihr war alles rot. Sie presste ihre offenen Lippen auf seine geschlossenen. Er zuckte zurück, kniff die Augen zusammen wie ein Kind, das sich im Dunkeln fürchtet. Nevada ließ von ihm ab. Der Nebel verzog sich. Plötzlich wand er sich unter ihrem Körper hervor, blitzschnell, er warf sie ab, dann war er über ihr, und sein Unterarm presste gegen ihre Kehle. Nevada starrte zu ihm hinauf, seine Brille war verrutscht, er keuchte. Der Nebel war in ihn gewandert, der rote wummernde Nebel.
König Rama, der «perfekte Mann» und eine Verkörperung des Gottes Vishnu, suchte verzweifelt nach seiner Frau Sita (der «perfekten Frau»), die entführt worden war. Im Wald begegnete er Hanuman, der sich sofort in seinen Dienst stellte. Er versprach, alles zu tun, um Sita zu finden und zurückzubringen. Hanuman stellte ein Affenheer zusammen und begann die Suche. Bald schon fand er heraus, dass Sita auf Sri Lanka gefangen gehalten wurde. Um sie zu retten, blieb ihm nichts anderes übrig, als den gewaltigen Sprung von der indischen Südküste auf die Insel im Ozean zu wagen. Doch er traute sich den Sprung nicht zu. Vor Angst erstarrt, kauerte er auf einer Klippe. Da rief ihm Jambavan, der weise Bär und Anführer des Affenheeres, zu: «Erinnere dich daran, wer du bist!» Und Hanuman sprang.
Nevada wusste, was damals passiert war. Sie schloss die Augen über zuckenden Blitzen, die das Bild zerteilten. Es zerfiel, dann nichts mehr, nur noch schwarz.
Ted
Tobias hatte es ja gesagt: «Dir geht es zu gut. Pass nur auf.» Er hatte ihm nicht geglaubt. Und war ahnungslos in die Falle getappt. Er war ein Trottel.
Warum hatte er sich nicht über die Vertrautheit zwischen Emma und seiner Mutter gewundert? Wo sie sich doch nur ein- oder zweimal im Jahr sahen? Weil er nicht darüber nachgedacht hatte. Er hatte nur an Lilly gedacht. Eine teuer bezahlte Nacht.
Er hatte lange in der Bar am Fluss auf sie gewartet. Brav saß er daneben, während die Yogaschüler darüber diskutierten, wie die DVD mit Gion gestaltet werden sollte. Marie sah er nicht, dafür hörte er mit einem Ohr, dass Nevada das Studio verlassen würde. Einer unheilbaren Krankheit wegen. Er wollte nachfragen, ließ es aber bleiben. Er mischte sich nicht ins Gespräch. Er lehnte sich im Stuhl zurück und begnügte sich damit, Lilly zu beobachten. Lilly, die ihre Beine über die Stuhllehne baumeln ließ, mit ihren langen Haaren spielte, die Unterlippe vorschob. Sie sprach wenig und leise, aber wenn sie sprach, hörten ihr alle zu. Sogar Gion. Manchmal erwiderte sie Teds Blick, unter ihren langen Haarsträhnen hindurch. Es verschlug ihm jedes Mal den Atem. Mit ihm würde sie nach Hause gehen. Mit ihm. Bist du meiner würdig?, fragte ihr Blick. Kann ich mich auf dich verlassen?
Erst als Gion ihn direkt ansprach, rückte er seinen Stuhl näher zu der Gruppe heran.
«Wie ist das eigentlich damals mit deiner Tochter gelaufen, Mann?»
«Mit Emma? Wie meinst du das?»
«Wie hast du das Sorgerecht gekriegt? Hattest du einen Anwalt?»
«Ich hab das Sorgerecht gar nicht. Emma ist nur bei mir, weil ihre Mutter sie nicht nach Los Angeles mitnehmen konnte.»
«Krass», sagte Nadine mit großen Augen. Lilly wandte sich schmollend ab. Sie wollte jetzt bestimmt nichts über Emma hören. Aus den Augenwinkeln beobachtete Ted, wie sie mit Sebastian zu flirten begann.
«Ich habe eine Anwältin, aber die hat mir nie große Hoffnungen gemacht. Ich war ja mit Emmas Mutter gar nicht verheiratet.»
«Ich muss Stefanie bei mir haben», sagte Gion. «Ich brauche sie.»
Einige der Frauen seufzten gerührt. Nicht umgekehrt?, wollte Ted nachfragen. Braucht deine Tochter nicht dich? Aber dann sah er aus dem Augenwinkel, wie Lilly ihre Hand auf Sebastians Bein legte, und er stand auf. «Gehen wir, Prinzessin?»
Auf dem Heimweg hatte er plötzlich den Impuls, seine Jacke auszuziehen und vor Lillys Füße zu legen, so dass sie nicht mit dem Schmutz der
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