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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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wie er sich von einer Schülerin zur nächsten spann. Sie sprach von Sauca , den Kriyas und von Tapas , dem Feuer. Sie übten den Atem von oben nach unten, und die ganze Zeit spürte Nevada diese Schatulle in ihrem Becken, dieses eingeschlossene Kind.
    Heute würde sie es befreien.
     
    Wolf stand vor dem Büchertisch, als sie aus dem Studio kam. Nevada brauchte jeden Tag länger, bis sie alle Matten zusammengerollt und verstaut hatte. Sie löschte die Kerzen, sie steckte die Statuen und Bilder wieder in ihre Tasche. Die Orange, die sie unter den Altar gelegt hatte. Sie wollte nichts im Studio zurücklassen. Sie wusste nie, ob sie morgen noch hier sein würde. Sie lebte auf Abruf, sie lebte von Lakshmis Gnaden. Deshalb musste es heute sein.
    Ihr Körper hatte schon wieder vergessen, dass er der Körper einer Lehrerin war und zerrte sie wie ein quengelndes Kind zu Wolf hin, der in einem Yogakalender blätterte. Nadine stand dicht hinter ihm, schaute über seine Schulter, kommentierte die einzelnen Bilder.
    «Das sind sehr fortgeschrittene Stellungen», sagte sie. «Hier, schau, Kukkutasana, die fliegende Schildkröte, die hab ich erst gestern gelernt!» Das Fotomodell stand auf den Händen, die Füße von hinten über die Schultern gelegt und vor dem Gesicht gekreuzt. Nadine machte Anstalten, die Übung nachzustellen. Als sie Nevada kommen sah, richtete sie sich wieder auf. Ihr Gesicht war gerötet. «Nevada, ich hab dich gar nicht gesehen. Bist du immer noch da?»
    «Sieht so aus.»
    Wolf legte den Kalender wieder auf den Tisch. «Bist du so weit?»
    «Ja.»
    «Ach, hast du auf Nevada gewartet?», mischte sich Nadine ein.
    «Soll ich deine Tasche nehmen?», fragte Wolf.
    «Danke, es geht schon.»
    Nevada nickte Nadine zu, die schmollend ihren Platz hinter der Empfangstheke wieder einnahm. «Du, wann kann ich deine Stunde freigeben?», rief sie hinter ihnen her, als sie das Studio verließen. «Lakshmi hat schon nachgefragt.»
    Wolf sah Nevada fragend an. «Gibst du die Stunde auf? Wirklich? Weil zu wenig Schüler kommen? Das ist schade. Ich würde es jedenfalls bedauern.»
    «Ach …» Nevada winkte ab. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, geschweige denn ausdrücken. Wenn jetzt nur ihre Beine nicht versagten. Sie griff nach dem Treppengeländer. Als ahne er ihre Befürchtung, bot Wolf ihr den Arm. An seiner Seite stieg Nevada die Treppe hinauf, langsam, aber sicher. Vor ihrer Türe blieb sie stehen. Länger als nötig wühlte sie in ihrer großen Tasche nach dem Schlüssel. Sie versuchte, tief durchzuatmen, ihr Körper war mit Nebel gefüllt, mit grellen Blitzen, mit einem dumpfen Wummern. Eine Disko auf dem Land. Schließlich öffnete sie die Tür und bat Wolf hinein. Er war der erste Mann, der dieses Zimmer betrat, wurde Nevada bewusst. Und er würde auch der Letzte sein. Das Zimmer wurde sofort sehr viel kleiner.
    Wolf sah sich um und dann sie an. Es gab ja nur das Bett in diesem Zimmer. Sollte er sich setzen? Er zögerte. «Ich möchte, dass du Poppy etwas ausrichtest von mir.»
    Nevada nickte. Durch den Nebel hindurch zeigte sie zum Bett. Doch er blieb stehen. Nevada würde nicht mehr lange stehen können, das wusste sie, und dann wusste sie nichts mehr. Undeutlich drang Wolfs Stimme zu ihr, von dem Wummern ihres Blutes übertönt.
    «Sie muss wissen, dass ich alles für sie tun würde, alles, verstehst du, das ist wichtig, alles. Das musst du ihr genau so sagen!»
    Seine Stimme klang so dringend, so verzweifelt, sein Blick hielt Nevada fest. Hilf mir, sagte sein Blick, tu etwas. Seine Verzweiflung übertrug sich auf sie. Ihr Körper zog sich in der Mitte zusammen, alles, was sie an Kraft noch hatte, verknotete sich in der Mitte. Sie setzte zum Sprung an. In ihrem Kopf sah sie einen Film. Nicht ihr Leben wurde auf einer inneren Leinwand abgespielt, sondern das des affenköpfigen Hanuman, des Gottes der Hingabe. Hanumanasana, der Yogaspagat, erinnert an seine großen Sprünge ins Nichts. Als Kind hatte er die Sonne verfolgt. Er hielt sie für eine besonders große, reife, süße Mangofrucht und wollte sie auffressen. Die Sonne wurde stattdessen seine Lehrerin. Um sie von seiner Hingabe zu überzeugen, stellte sich Hanuman mit einem Fuß auf die westliche, mit dem anderen auf die nördliche Hemisphäre der Erde, er wandte sein Gesicht der Sonne entgegen und sagte: «Schau mich an. Ich bin dein Schüler.»
    Die Sonne wurde seine Lehrerin. Doch Hanuman war ein frecher Schüler, ein übermütiger

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