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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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Mädchennamen ein, Mehmeti, dann ihren verheirateten Namen, Bolliger. Sie durchforstete die Krankengeschichten aller Patienten, die denselben Namen trugen. Und nach zwei Stunden fand sie etwas. Es war allerdings nicht das, wonach sie gesucht hatte.
     
    «Einmal Erdbeer und einmal Sacher, bitte», sagte Marie. «Und einen Cappuccino.»
    «Mit Rahm?»
    «Ja, gerne.»
    «Recht haben Sie! Sie können sich’s ja leisten!» Die Angestellte reichte ihr den beladenen Teller über die Theke und machte sich dann an der Kaffeemaschine zu schaffen. Während die Milch aufschäumte, drehte sie sich zu Marie um. C. Mendoza stand auf ihrem Namensschild. «Wissen Sie, ich finde es großartig, dass ein so berühmter und gutaussehender Mann zu einer Frau wie Ihnen steht.»
    «Danke», sagte Marie. Was war eine Frau wie sie?
    «Der James Bond, wissen Sie, der hat auch eine dicke Frau geheiratet, wie heißt er gleich, der gutaussehende, von früher. Nicht Roger Moore, der andere.» C. Mendoza stellte den Cappuccino auf Maries Tablett und tippte den Betrag in die Kasse ein. «Dreizehn Franken achtzig, bitte.»
    Marie steckte ihre Karte in den Leser. Guthaben: null.
    «Auf den Rappen!», freute sich Frau Mendoza. «Auf den Rappen genau haben Sie Ihr Guthaben aufgebraucht! Wollen Sie die Karte gleich wieder aufladen?»
    «Nein, nicht jetzt», sagte Marie.
    «Verlassen Sie uns? Nein, sagen Sie nichts. Ich kann es mir denken. Man hat ja so einiges munkeln hören … Ich hab immer gesagt, die wird ihren Mann doch nicht allein nach Indien fliegen lassen, garantiert nicht!»
    «Nach Indien?», rutschte es Marie hinaus. «Wieso denn nach Indien?»
    «Ach so, klar, ich verstehe. Sie dürfen nichts dazu sagen – Kündigungsfrist einhalten und so. Es stand aber heute schon in dieser Gratiszeitung, die überall rumliegt, Sie wissen schon.»
    Marie nickte. «Es ist eigentlich noch gar nicht offiziell», sagte sie, nickte Frau Mendoza zu und trug ihr Tablett zu einem leeren Tisch am Fenster. Die Kantine war nur spärlich besetzt. Der Himmel vor den raumhohen Fenstern war grau. Es könnte Morgen sein oder Nachmittag, Frühling oder Herbst. Ein Tag war wie der andere. Aber bald würde alles anders werden. Ein Exemplar der erwähnten Gratiszeitung lag zerfleddert auf dem Stuhl neben ihr. Marie schlug sie auf und blätterte sich zu einem Bild von Gion vor, das während der Talkshow aufgenommen worden war. Gion als Pfau mit gespreizten Federn.
     
    Indien ruft Dr. Santana! Der beliebteste Fernseharzt der Schweiz wird seine Yogastudien im indischen Goa weiterverfolgen. Töchterchen Stefanie ( 14 ) wird ihn dabei begleiten. «Ich freue mich auf die Zeit mit meiner Tochter, ich habe schon viel zu viel verpasst!» Der sympathische Schauspieler, der von Stefanies Mutter geschieden ist, hofft, dass sich Vater und Tochter durch «gemeinsames Üben und Meditieren wieder näherkommen». Ein Kamerateam des Schweizer Fernsehens wird sie auf der Reise begleiten.
     
    Marie legte die Zeitung weg. Bald wäre sie also allein. Wann genau, stand in dem Artikel nicht. Immerhin wusste sie jetzt, warum Gion noch nicht ausgezogen war. Sie zerlegte die Tortenstücke, sie ließ sich Zeit damit. Sie ging methodisch vor, verteilte den Rahm genau auf die einzelnen Bissen, nahm zwei Gabeln von der Erdbeertorte, dann eine von der Sacher, dann trank sie einen Schluck Kaffee. Der Schokoladegeschmack mischte sich mit dem des Kaffees, der Vanillecreme und des Erdbeergelees. Sie war nicht tot. Sie fühlte durchaus noch etwas. Sie schmeckte die vermischte Süße in ihrem Mund und war getröstet.
    Sukha , hatte Nevada es genannt. Sukha war das Gegenteil von Duhkha , der Verengung, der Verdunkelung des Herzens. Sukha war Leichtigkeit und Weite, war Süße. Das Leben könnte ganz einfach sein, hatte Nevada erklärt, wenn man der Süße folge. Wenn man sich immer wieder überprüfe: Ist mein Herz schwer und schwarz und zusammengepresst, während ich arbeite, mit meinem Mann vor dem Fernseher sitze oder eine Yogastellung übe? Oder ist es weit und leicht und süß? Die Dinge, die das Herz zusammenpressen, sollte man vermeiden, und die anderen, die sich süß anfühlen, suchen. So einfach war das.
    Marie schloss die Augen. Erdbeeren und Schokolade. Kaffee und Milch. Ihr Telefon klingelte. Sie öffnete die Augen. Stefanie.
    «Stefanie? Ist alles in Ordnung?»
    Nichts.
    «Stefanie, wo bist du?»
    Schnaufen. Schniefen.
    «Stefanie?»
    «Frau Doktor Leibundgut?» Eine männliche Stimme. «Hier

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