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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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roten Stoff. Sie wickelte das Tuch wieder enger um sich.
    «Und was ist mit deinem Gesicht passiert, Poppy!»
    Poppy hob die Hand an ihre Wange. Sie brannte.
    «Du bist ganz rot, als wärst du durch Brennnesseln geschwommen! Hast du vielleicht eine Algenallergie?»
    Poppy schüttelte den Kopf. Warum hatte man sie nicht eine Woche länger behalten können? Bis man ihr nichts mehr ansah? Bis sie nichts mehr erklären musste? Ach, was machte sie sich vor: Die Kratzer waren noch das Wenigste!
    «Um Gottes willen, Poppy, wurdest du im Gefängnis etwa misshandelt?»
    «Es ist nichts.»
    «Es sieht aber nicht aus wie nichts!»
    Zu sich selber stehen, hatte der Psychiater gesagt. Und Poppy hatte es brav auf ihre Liste gesetzt. Poppy schaute auf den See hinaus, auf das Floß, das in der Ferne sanft schaukelte, die gebräunten Leiber darauf. Plötzlich war es nicht mehr genug. Es zu wissen. Sie musste es sagen.
    «Ich will nach Hause», sagte sie.
     
Ted
     
    «Ein Bier um vier, das gönn ich mir», dichtete Tobias. «Für dich kommt es ja ohnehin nicht mehr drauf an. Vier Uhr nachmittags, vier Uhr morgens, macht alles keinen Unterschied mehr …»
    «Ist es wirklich schon vier?» Ted schaute auf die Uhr. Um vier Uhr nachmittags rief er Emma an. Jeden Tag. Vier Uhr nachmittags war sieben Uhr morgens in Los Angeles.
    «Nein, reg dich ab, es ist erst Viertel nach drei», sagte Tobias. «Aber das reimt sich nun mal nicht auf Bier!»
    Ted schüttelte den Kopf, aber er kippte auf seinem Stuhl nach hinten, öffnete den Kühlschrank und nahm zwei Flaschen heraus, ohne hinzusehen. Es war nicht das erste Bier an diesem Nachmittag. Tobias war vor einer Stunde plötzlich vor seiner Tür gestanden. Er hatte ihm sein Handy entgegengestreckt: «Hast du so etwas schon mal gesehen?», hatte er gefragt. «Weißt du, was das ist? Warum es klingelt?»
    «Sorry, ich hab wohl vergessen, es aufzuladen.»
    «Mann, ich hab mir Sorgen um dich gemacht!» Tobias hatte Ted zur Seite geschoben und war in seine Wohnung gestürmt, als erwarte er, überall leere Whiskyflaschen, übervolle Aschenbecher, in denen noch die letzten Kippen qualmten, halbleere Pizzaschachteln, in denen die Reste verschimmelten und einen auf dem Ameisenkanal laufenden Fernseher vorzufinden. Stattdessen sah es bei Ted aus wie immer, außer dass er mitten im Wohnzimmer eine Yogamatte ausgerollt hatte. Jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen grüßte er die Sonne, sechs Mal, zwölf Mal, vierundzwanzig Mal. Er stand jeden Tag um sechs Uhr auf, als müsste er zur Schule fahren. Stattdessen tat er: nichts. Und die Tage vergingen trotzdem, einer nach dem andern. Irgendwann war es nachmittags um vier, und er konnte Emma anrufen, die sich in Kalifornien für die Schule bereitmachte. Sie musste eine Uniform tragen, einen blauen Faltenrock und ein weißes Polohemd. «Alle Mädchen sehen gleich aus», hatte sie erzählt. Ted hörte die Erleichterung in ihrer Stimme. Er konnte sich gut vorstellen, dass Emma nicht auch noch über ihre Kleider nachdenken wollte. Um Viertel nach sieben, Viertel nach vier in der Schweiz, wurde sie von einem carpool abgeholt.
    «Was, die haben ein Schwimmbecken im Auto?»
    Emma kicherte. «Du spinnst doch, Papa!» Ein carpool war eine Fahrgemeinschaft. Das wusste Ted auch. Er fragte sich nur, wann Tina mit Fahren an der Reihe sein würde. Und wo sie war, wenn ihre Tochter frühstückte. Gestern hatte Emma kalte Pizza gegessen.
    «Die Kruste ist so dick wie ein Brötchen, Papa!»
    «Und warum isst du Pizza zum Frühstück? Sind dir die Flocken ausgegangen?»
    In den ersten Tagen hatten sie ihm von den vielen verschiedenen Sorten Frühstücksflocken erzählt, die sie alle noch nicht kannte. Ihre Mutter hatte ihr vierundzwanzig kleine Probepackungen gekauft, jeden Tag öffnete sie eine andere, bis sie ihre neue Lieblingssorte gefunden hatte. Sie schwankte noch zwischen Cookie Crisp und Cheerios. Cheerios sahen aus wie kleine Ringe, hatte sie ihm erzählt, man konnte sie zu Halsketten auffädeln und diese dann während des Tages abknabbern.
    «Die Milchflasche war zu schwer», murmelte sie schließlich. Alles war größer in Kalifornien. Eine Milchflasche fasste knapp vier Liter. Emma konnte sie nicht allein aus dem Kühlschrank hieven.
    «Wo ist denn deine Mutter?», hatte Ted gefragt.
    «Sie ist im Bad …» Ted hatte gespürt, dass sie log, er hatte sie nicht gebeten, sie an den Apparat zu holen. Dann hatte es an der Tür geklingelt.
    «Sie sind da, Papa, ich muss

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