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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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versuchten Peter und Poppy eine Paartherapie. Poppy kam schon beim ersten Mal zu spät, sie hatte keinen Parkplatz gefunden. Peter war direkt vom Geschäft gekommen, in seinem grauen Anzug mit der rosa Krawatte, die er im Sitzen löste. Er fuhr sich durchs Haar, als sie hereinkam, verschwitzt, aufgelöst. Mitten im Satz hörte er auf zu reden. Frau Weinberger begrüßte sie freundlich: «Ihr Mann hat mir schon erzählt, worum es geht.»
    «Hat er das?»
    «Nun, ich möchte es natürlich auch von Ihnen selber hören!»
    «Ich schlafe auf dem Sofa», sagte Poppy, und Peter seufzte.
    Achtmal saßen sie auf dem Sofa von Frau Dr. Weinberger, manchmal näher beieinander, manchmal weiter voneinander weg, einmal hielten sie sich sogar in den Armen.
    Beim achten Mal sagte Peter: «Ich kann nicht mehr. Ich will die Scheidung.»
    Und Frau Weinberger nickte, als hätte sie das von Anfang an kommen sehen. «Erzählen Sie, wie Sie sich kennengelernt haben.»
    Poppy lächelte. «Er hat mir die New York Times on Sunday weggekauft, die ich mir immer am Bahnhofskiosk holte. Eines Tages komme ich an, keine Zeitung, der Herr dort hat sie gekauft. Ich ihm nach, halte ihn am Arm fest und sage zu ihm: ‹Geben Sie mir einfach den Bund mit den Hochzeitsseiten, den Rest können Sie behalten.›»
    «Wir gingen zusammen über den Platz, setzten uns auf eine Bank, teilten uns die Zeitung.»
    «Es war, als würden wir uns schon sehr lange kennen.» Poppy wandte sich Peter zu, lächelnd, und sah zu ihrem Schrecken, dass er Tränen in den Augen hatte.
    «Es hat so gut angefangen», sagte er.
    Bis sie schwanger wurde, hatten sie in getrennten Wohnungen gelebt. Poppy arbeitete drei Tage in der Woche bei der Lokalzeitung, damit sie Zeit hatte zum Schreiben, zum Malen, zwischendurch hatte sie auch einmal gedacht, sie könnte Musik machen, das war an ihrem mangelnden Rhythmusgefühl gescheitert. Sie hatte ein paar Lieder geschrieben, sie hatte so vieles versucht. Dann war sie schwanger geworden, ungeplant, sie war sechsunddreißig Jahre alt.
    «Du warst so … du warst so voller …», Peter suchte das richtige Wort. «Möglichkeiten.»
    «Und jetzt?»
    «Jetzt sehe ich nichts mehr.»
    Die Buben waren vier und sechs Jahre alt. Sie würden bei Peter bleiben. Weil Peter das Haus behalten würde, das Haus, das er schließlich gekauft hatte. Es wäre für alle das Beste, das sagte auch Frau Dr. Weinberger, die ihnen half, die Bedingungen der Scheidung auszuhandeln. Poppy fragte sich flüchtig, ob Peter es von Anfang an darauf angelegt hatte. Im Archiv der Lokalzeitung war eine Stelle frei. Bald schnitt sie wieder Artikel aus, die sie nicht geschrieben hatte. Sie mietete eine Einzimmerwohnung. Hell, modern, überschaubar. Aus dem großen Haus hatte sie nur zwei Koffer mitgenommen. Sie kaufte sich ein paar Möbel, ein Bett, ein Sofa, einen Tisch und zwei Stühle, dann war die Wohnung schon voll. Sie packte ihre Koffer aus. Die Koffer blieben auf dem Fußboden liegen. Poppy stolperte über sie, wenn sie nach Hause kam. Sie schnappten mit aufgeklappten Mäulern nach ihr. Sie wusste nicht, was sie mit ihnen tun sollte, bis ihr nach drei oder vier Monaten plötzlich einfiel, dass zur Wohnung ein Kellerabteil gehörte. Sie suchte den Schlüssel hervor, klappte die Koffer zu, trug sie nach unten, sperrte sie weg.
    «Mich kriegt ihr nicht», sagte sie.
     
    Ping! Der hellere Ton kam vom Computer. Sie schaute auf den Bildschirm, auf dem mehrere Fenster offen waren. Es war Lukas.
    Was ist der Plan? Es folgten ein paar grimassierende Gesichter und andere flimmernde Bilder.
    Poppy lächelte. Im ersten Jahr nach der Scheidung hatte sie die Buben nur jedes zweite Wochenende bei sich gehabt. Sorgfältig geplante Besuche, bei denen dann meist doch alles schiefging. Und sie hatte nicht einmal mit teuren Geschenken kompensieren können, weil sie kein Geld hatte. Sie hatte das Gefühl, ihre Söhne nicht zu kennen, die sie doch immerhin je neun Monate lang in ihrem Bauch getragen und ebenso lang an ihren Brüsten gesäugt hatte. Nichts war geblieben. Ihre Söhne waren ihr fremd. Sie schienen sie nicht zu kennen und ihr nicht zu vertrauen. Vorsichtig bewegten sie sich um sie herum, beobachteten sie aus den Augenwinkeln, Florian, der Ältere, hatte immer eine Hand auf Lukas’ Schulter, als fürchtete er, von ihm getrennt zu werden. Auf Poppys Fragen nach der Schule, nach Freunden, nach Lieblingsessen antworteten sie einsilbig und ausweichend. Poppy vermutete, dass ihre

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