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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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frühere Schwiegermutter schlecht über sie redete.
    Gleich nach Poppys Auszug hatte Marianne ihren Platz eingenommen. Mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit hatte sie ihre Praxis aufgegeben und war bei ihrem Sohn eingezogen. Natürlich nicht offiziell. Offiziell war sie vom Frühstück bis zum Abendessen da, oder bis Peter von der Arbeit kam. Dann ging sie zurück in ihr eigenes Haus und bereitete ein zweites Abendessen für ihren Ehemann. Dieser fühlte sich bald vernachlässigt genug, um sich mit einer Nachbarin zu trösten. Doch das merkte Marianne erst, als es zu spät war. Nachdem Peter Julia kennengelernt und seine Mutter nach Hause geschickt hatte, stellte diese fest, dass sie kein Zuhause mehr hatte.
    Julia war jung, blond, unscheinbar. Sie war sanft, sie war unerbittlich. Sie zog bei Peter ein, dann heirateten sie, bald gebar sie selber zwei Söhne, sie wies Marianne in ihre Schranken. Sie erreichte alles, was Poppy nie gelungen war, scheinbar mühelos. Aber sie war fair. Kurz nachdem sie und Peter geheiratet hatten, lud sie Poppy an einem Sonntagabend zum Essen ein.
    Poppy erkannte das Haus nicht mehr. Küche und Bad waren renoviert worden, die alten metallenen Kästen, von denen die Farbe abblätterte, durch neue, freundlich bunt lackierte Einbauschränke ersetzt worden, der unlackierte Holzboden durch pflegeleichte Platten. Poppy erinnerte sich an ihre Verzweiflung beim Putzen der alten Küchenschränke, an die Farbsplitter, die im Wischlappen hängen blieben. Die große Tischplatte aus unbehandeltem Holz war frisch abgeschliffen und lackiert worden. Poppy dachte an die ringförmigen Flecken, die jedes Glas, jede Tasse auf den Holzoberflächen hinterlassen hatte. Keine Spur war mehr davon zu sehen.
    «Das war das Erste, was ich zu ihm gesagt habe», erzählte Julia fröhlich. «Wenn ich hier wohnen soll, muss ich eine neue Küche haben – und auch ein neues Bad, wenn wir schon dabei sind. Nichts für ungut, aber du warst ausgezogen, ich wollte deine Spuren verwischen, das ist wohl normal.» Sie lachte und hakte sich bei Poppy ein.
    «Du hast das Haus gebändigt», sagte Poppy. «Wie ein wildes Tier, das ich nicht zähmen konnte. Mich drohte es zu verschlingen. Dir frisst es aus der Hand.»
    Julia wechselte einen Blick mit Peter. Dann lachte sie. «Du bist schon eine ganz Spezielle! Eine Verrückte. Peter sagte immer, du seist eine Dichterin.»
    Auch Peter lachte gutmütig. Er hatte zugenommen. Er hatte sich entspannt. Allen ging es besser, seit Poppy weg war.
    «Florian und Lukas müssen mit dir eine Art Routine entwickeln», entschied Julia und änderte die Besuchsregelung. Poppy verbrachte mehr Zeit im alten Haus, holte Florian vom Fußballtraining ab und Lukas vom Karate. Die Wochenenden in Poppys Wohnung wurden seltener, weniger verplant, entspannter. Trotzdem hatte Poppy immer das Gefühl gehabt, sie sei für ihre Söhne eine widerwillig akzeptierte, misstrauisch beobachtete Notwendigkeit. Bis sie anfingen, über Facebook miteinander zu kommunizieren. Beide Söhne hatten sie als Freundin akzeptiert. Nicht aber Julia oder ihren Vater. Das bedeutete nichts anderes, als dass sie Poppy nicht als Elternteil, als Autoritätsperson wahrnahmen. Poppy wusste das. Trotzdem, es erlaubte ihr, am Leben ihrer Söhne teilzuhaben, ihre Interessen zu erahnen, die Namen ihrer Freunde zu kennen. Sie wusste sogar, wie lange sie abends aufblieben, weil sie oft treuherzig als letzte Botschaft des Tages die Worte: Endlich ins Bett! in den Äther hinausschickten.
    Poppy empfand ein seltsames Gefühl der Überlegenheit, wenn sie das las. Sie wusste, dass Peter und Julia glaubten, die Buben schliefen längst.
    Wird auch langsam Zeit , tippte sie dann.
    Lukas hatte angefangen, ihr Links zu schicken, seltsame kleine Filme, Ausschnitte aus Konzerten, Songs, die er mochte. Sie begann, gewisse Raptexte zu verstehen. Sie schaute sich einen Film an über einen Rapper, der in einem Bus saß, und Wortfetzen einfing, auf einen großen gelben Block kritzelte, einzelne Worte, die er aus dem Busfenster im Vorbeifahren erhaschte, von Plakatwänden, Straßenschildern, Graffiti pflückte. Poppy erkannte sich in dem Rapper wieder. So schrieb sie auch. Ein Wort hier, eines da. Ihr fehlte nur die Geduld, sie aneinanderzureihen. Sie überlegte sich, ob sie selber einen Rap schreiben sollte.
    Was ist der Plan, hatte Lukas geschrieben.
    Plan?, tippte sie zurück. Ich habe keinen Plan.
     
Nevada
     
    Sie fröstelte. Ein Arzt, eine

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