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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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Mund. Dann rutschte sie vom Stuhl und stellte sich neben ihn. Hob die Plastikdeckel und die Alufolien und studierte unschlüssig die Gerichte, die eigentlich alle gleich aussahen: mit einer blassgelben Kruste von geschmolzenem Käse bedeckt.
    Emma atmete tief ein, als wüsste sie, dass sie etwas sagen musste. Und Ted merkte, dass jede Entscheidung ein Gefallen wäre, den sie ihm tun würde. Er gab sich einen Ruck. «Weißt du was, ich kann mich auch nicht entscheiden. Zum Glück haben wir die Mikrowelle.»
    Und er füllte kleine Portionen aus jedem einzelnen Behälter in Glasschüsseln. Am Ende standen sieben verschiedene Gerichte auf dem Tisch, sie stachen mit ihren Gabeln in jede einzelne dampfende Schüssel, sie probierten alles.
    «Oh, grauenhaft», rief Ted. «Das kann man ja nicht essen!» Er ließ den Löffel so nachdrücklich in den Kartoffelstock fallen, dass es spritzte.
    Emma jauchzte vor Vergnügen. Dann schlug sie sich beide Hände vor den Mund. «Dein T-Shirt ist ganz voll!» Sie zeigte auf Teds Bauch.
    «Na und? Deins auch!»
    «Meins? Gar nicht.» Das Mädchen schaute an sich herunter. Da klatschte Teds Löffel in eine andere Schüssel, und die Tomatensauce spritzte mitten auf ihren Bauch.
    «Papa!»
    Ted dachte an die Essensschlachten seiner Kindheit. Vor allem, als die Mütter eine makrobiotische Phase durchmachten. Die trockene braune Vollreispampe ließ sich hervorragend zu kompakten Kugeln formen und als Munition verwenden. «Was: Papa?» Er kippte einen Löffel voller Erbsen auf den Fußboden. «Das Zeug ist nicht zum Essen gedacht!» Schon hielt er eine Ladung Hörnli mit Käsesauce im Anschlag und zielte Richtung Abwaschbecken. Emma starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ted holte aus und schleuderte die fetttriefenden Teigwaren quer durch die Küche.
    «Komm schon», rief er. «Versuch ’ s mal!» Zögernd steckte Emma ihre Gabel ins Moussaka. Mit gerunzelter Stirn studierte sie die vor Öl triefenden Auberginenscheiben.
    «Keine Angst, die tun dir nichts!», rief Ted und schleuderte seinerseits eine Handvoll Kartoffelbrei gegen die Wand. Vorsichtig streckte sie die Hand aus. Dann ließ sie die Auberginenscheiben mehr von der Gabel gleiten, als dass sie sie warf. Sie landeten vor Ted auf dem Tisch. Ted sprang auf und nahm eine der Schüsseln in die Hand.
    «Nur nicht so schüchtern!» Er kippte sich das Gemisch aus Hackfleisch und Kartoffelstock über den Kopf. Emma schnappte nach Luft. Einen Augenblick lang fürchtete Ted, er sei zu weit gegangen. Sie würde anfangen zu weinen. Hatte Martina doch recht, wenn sie sagte, ein Mann könne kein Mädchen erziehen?
    »Du hast doch auch zwei Söhne», hatte er geantwortet, doch die Kollegin hatte nur mit dem Schultern gezuckt.
    «Das ist etwas anderes. Ich bin eine Frau. Frauen sind anders. Als Mutter bist du eben …»
    Als Mutter bist du über jeden Zweifel erhaben.
    Ted dachte an seine eigene Mutter. Und wie seine Kindheit ausgesehen hätte, wenn sie eines Tages ans andere Ende der Welt gezogen wäre und Ted seinem Schicksal überlassen hätte. Beziehungsweise seinem Vater. Diese Vorstellung entsprach ziemlich genau dem verzweifelten Wunschtraum, den er seine ganze Kindheit hindurch gehegt hatte: Sein Vater möge kommen und ihn zu sich nehmen. Ihn erlösen aus dem Frauenreich seiner Mutter.
    In diesem Moment stieß Emma ein schrilles Geheul aus. Sie fasste die nächstbeste Schüssel. Rannte um den Tisch herum auf Ted zu, Ted flüchtete auf die andere Seite der Küche, riss eine Schranktür auf und versteckte sein Gesicht dahinter. Die warme Pampe traf ihn mitten auf den Bauch.
    «Warte nur, du kleine Hexe! Das wirst du büßen!»
    Er stieß die Schranktür wieder zu, doch bevor er den Tisch erreicht hatte, kam schon eine ganze Schüssel in seine Richtung geflogen. Klirrend fiel sie auf den Plattenboden, ohne zu zerbrechen. Bald war das von fürsorglichen Frauen mit Hintergedanken gekochte Essen über die ganze Küche verteilt. Ted und Emma waren von oben bis unten damit verschmiert.
    Ted hob Emma hoch und trug sie ins Badezimmer. Er streifte ihr die bekleckerten Kleider ab und stellte sie unter die Dusche. Als er die Temperatur des Wasserstrahls prüfte, schaute sie ihn ernst an:»Kannst du bitte rausgehen?», bat sie.
    «Natürlich.» Ted zog die Tür hinter sich zu. Hatten sie nicht vor weniger als einem Monat, als sie das letzte Mal bei ihm gewesen war, noch zusammen gebadet? Er blieb vor der verschlossenen Badezimmertür stehen und

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