Montana 04 - Vipernbrut
Nachricht, oder sie hatten einen Durchbruch im Eismumienfall erzielt …
Sie öffnete die SMS und erstarrte, als ein Foto von Gabriel Reeve auf ihrem Display erschien. Nein, Moment, das war nicht nur ein Foto, das war ein kurzes Video. Sie drückte auf Abspielen, und er wurde lebendig.
»Du musst mir helfen«, sagte er. Fast wäre ihr das Herz stehengeblieben. »Du musst tun, was er sagt …« Er blickte zur Seite, und sie hörte ein Flüstern, die gesenkte Stimme eines Mannes, die ihr einen Schauder das Rückgrat hinunterjagte: »Sag ihr, sie soll zum Cougar-Pass fahren. Keine Polizei. Nur sie. Wenn sie nicht sofort kommt, bist du tot.«
Gabriel, das Gesicht aschfahl, die Augen weit aufgerissen vor Angst, wiederholte die Nachricht. »Du musst zum Cougar-Pass kommen. Bitte. Er sagt, er will mich umbringen.« Seine Stimme brach, und wieder knurrte der Mann: »Sag ihr, keine Polizei. Wenn sie mit Verstärkung anrückt, bist du tot. Hast du das verstanden?«
»Ich soll dir sagen …«, stotterte Gabriel panisch. Alvarez bemerkte eine Bewegung hinter ihm. Einen Schatten. Ihr Herz setzte aus, als sie eine Messerklinge erkannte, die direkt über dem linken Ohr ihres Sohnes schwebte. Mein Gott, war etwa Blut daran? Die scharfe Klinge glitzerte silbern, etwas Rotes perlte davon ab.
Allmächtiger.
Würde er Gabe etwa die Kehle durchschneiden?
Nein! Tu’s nicht!
Außer sich vor Entsetzen, schrie sie auf: »Aufhören! Tun Sie ihm nichts! Um Himmels willen!« Doch natürlich konnten weder Gabriel noch sein Entführer ihr verzweifeltes Flehen hören. Auch Gabriel hatte Todesangst. »Keine Polizei!«, wiederholte er. »Mom, er sagt, keine Polizei, oder … oder … er wird mich töten!«
Kapitel zweiunddreißig
Danke«, sagte O’Keefe und nahm der Kellnerin das Glas Scotch ab, das er bestellt hatte. »Tiffany« stand auf ihrem Namensschild, und sie sah eigentlich zu jung aus, um Alkohol servieren zu dürfen. Das Restaurant war gut besucht, die Gäste um ihn herum unterhielten sich, in dem alten Kamin brannte ein Feuer, die Einrichtung war gemütlich, Kerzen verbreiteten ein anheimelndes Licht. »Stellen Sie den Wein einfach dorthin.« Er deutete auf den Platz ihm gegenüber. »Sie wird jede Minute hier sein.«
»Gern.« Geschickt stellte Tiffany das Glas Merlot ab, dann eilte sie durch das volle Hotelrestaurant Richtung Küche. Alle, so schien es, die nicht eingeschneit waren, hatten die gleiche Idee gehabt wie O’Keefe; was für ein Glück, dass man ihm einen Fensterplatz reserviert hatte. Er hatte gehofft, auf den Fluss und den Wasserfall schauen zu können, der langsam zufror, doch man hatte ihm einen Platz mit Blick auf den Parkplatz zugewiesen. Auch gut, dann würde er sie sehen können, wenn sie endlich auftauchte. Hoffentlich käme sie bald. Seit er von der grauenhaften Weihnachtskarte wusste, die der Mörder ihr geschickt hatte, machte er sich noch mehr Sorgen um sie.
Er ließ den Scotch in seinem Glas kreisen, dass die Eiswürfel tanzten. Es hatte keinen Sinn, länger gegen seine Gefühle für sie anzukämpfen. Er liebte diese Frau - egal, ob das gut war oder schlecht, klug oder dumm. Er konnte sich nicht vorstellen, sein Leben ohne sie zu verbringen, und ganz bestimmt würde er nicht zulassen, dass irgendein kranker Mistkerl sie ihm wegnahm.
Er setzte das Glas an die Lippen, schmeckte den rauchigen Scotch auf der Zunge und entspannte sich, als er ihren Wagen in eine freie Lücke auf dem Parkplatz biegen sah.
Gut.
Endlich war sie da. Er atmete auf und sah zu, wie sie aus dem Wagen stieg und etwas aus der Tasche zog … ihr Handy? Sie telefonierte jedoch nicht, also hatte sie vermutlich eine SMS bekommen. Er nahm einen weiteren Schluck und schaute durch den dichten Schneevorhang zu ihr hinaus. Sie steckte das Handy in die Jackentasche, sprang hinters Lenkrad, ließ den Motor an und setzte aus der Parklücke, dann gab sie Gas und bog mit durchdrehenden Reifen auf die Straße.
Der Fall!
Es musste einen Durchbruch im Eismumienfall geben!
Er nahm sein Handy und wählte. Hoffentlich ging sie dran.
Nichts.
Viermal klingelte es, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
Das war nicht gut.
Gar nicht gut.
Anstatt erst einmal abzuwarten, nahm er seine Brieftasche, zog ein paar Scheine heraus und legte sie auf den Tisch, dann verließ er eilig das Restaurant, wobei er fast einen Hilfskellner, beladen mit Tellern, umgelaufen hätte. Er wich einer älteren Frau mit Gehhilfe aus, entschuldigte sich
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