Montana 04 - Vipernbrut
halbherzig und stieß mit den Schultern die Tür auf.
So schnell er konnte, sprang er die Stufen zum Parkplatz hinunter und rannte zur Straße, wo er seinen Explorer abgestellt hatte. Kaum eingestiegen, ließ er auch schon den Motor an und legte den Gang ein, dann fuhr er zügig in die Richtung, die Alvarez genommen hatte. Die Scheibenwischer gaben ihr Bestes, genau wie die Scheibenheizungen, doch er kümmerte sich nicht um die schlechte Sicht, sondern probierte stattdessen wieder und wieder, sie auf ihrem Handy zu erreichen.
Keine Antwort.
Das ist schon in Ordnung. Sie ist Polizistin. Sie muss zu einem Noteinsatz.
Doch das glaubte er selbst nicht. Keine Sekunde.
All I Want for Christmas Is You.
Die Nachricht war eindeutig.
Diesmal wurde sein Anruf direkt an die Mailbox weitergeleitet. »Verdammt!« Er starrte durch das kleine Feld, das die Scheibenwischer freigefegt hatten, und hielt verzweifelt Ausschau nach ihrem Wagen. Nichts.
Entspann dich. Sie wird dich anrufen … Bestimmt geht es um den Fall …
Doch er spürte, wie sich ihm die Brust zusammenzog. Angst, ja, Angst überkam ihn, als er an einer roten Ampel stoppen musste und anschließend die leeren Straßen nach ihrem Wagen absuchte.
Doch sie war verschwunden.
Keine Spur von ihrem kleinen Outback.
Ein Schneepflug räumte die Straße in der Nähe der Schienen frei, ein Geländewagen schraubte sich den Hügel hinauf zur Neustadt, doch Alvarez’ Subaru war verschwunden.
Verdammt noch mal!
Er gab sich alle Mühe, sich zu beruhigen.
Es ist alles in Ordnung. Es geht ihr gut. Entspann dich.
Aber seine Versuche waren vergeblich.
»Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen«, sagte er laut und zog sein Handy noch einmal hervor.
Alvarez’ Herz klopfte schneller als das eines verängstigten Kolibris. Sie wusste, dass sie gerade einen großen Fehler machte und auf direktem Weg in eine Falle lief. Jedem anderen in solch einer Situation hätte sie geraten, die Polizei oder das FBI zu informieren, doch sie selbst brachte das einfach nicht über sich. Hier ging es um Gabriel, ihren Sohn, und sie bezweifelte keine Sekunde, dass das Monster, das ihn gefangen hielt, ihn töten würde, sollte sie die Sache vermasseln. Und mit Sicherheit würde er das Ganze filmen und nicht nur an sie, sondern noch dazu an die Medien schicken.
»Perverse Missgeburt«, knurrte sie und gab mehr Gas, als die Wetterverhältnisse erlaubten. Wie standen die Chancen, dass es ihr gelänge, Gabe allein zu befreien? Wie standen die Chancen, wenn sie auf die Unterstützung der Polizei zurückgriffe?
Sie schlitterte in eine Kurve und versuchte, den Wagen unter Kontrolle zu behalten, dann zwang sie ihr rasendes Herz, sich zu beruhigen.
Alle Fäden liefen bei der Presbyterianischen Kirche von Prediger Mullins zusammen, dachte Pescoli, als sie den Block mit ihren handschriftlichen Notizen anstarrte. Überall auf ihrem Schreibtisch lagen Ausdrucke herum, und ihr Computer war noch immer damit beschäftigt, sämtliche Informationen abzugleichen, die sie über die Opfer zusammengetragen hatten. Doch sie schrieb lieber. Kritzelte, malte Männchen. Dachte lieber selbst nach, als einer Maschine die Arbeit zu überlassen.
Und so war sie bei der Kirche gelandet. Wieder einmal. Schon vorher hatte sie Prediger Mullins’ Gemeinde für den Schlüssel gehalten; irgendwie lief dort alles zusammen. Lara Sue Gilfry hatte die Presbyterianische Kirche ein paarmal besucht, ihre Leiche war ebendort bei der Krippe gefunden worden. Obwohl es genügend andere Krippen in der Gegend gab, fünf bei weiteren Kirchen, eine vor der Konfessionsschule, hatte der Mörder ausgerechnet Prediger Mullins’ selbst gebaute Krippe ausgewählt, um sein makabres Werk zur Schau zu stellen.
Warum?
Zunächst hatte Pescoli vermutet, es wäre wegen der abgeschiedenen Lage oder der Größe der Figuren gewesen, doch mittlerweile war sie sich da nicht mehr so sicher. Was verband den Killer mit dieser Kirche?
Dann war da Lissa Parsons, Opfer Nummer zwei. Auch sie hatte zu Mullins’ Kirchengemeinde gehört, obwohl sie in letzter Zeit nicht mehr oft zum Gottesdienst erschienen war. Brenda Sutherland dagegen war ein aktives Gemeindemitglied gewesen, auch am Abend ihrer Entführung hatte sie an einem Kirchentreffen teilgenommen.
Ja, die drei Opfer hatten alle mehr oder weniger mit Mullins’ Gemeinde zu tun.
Die vierte Frau, die verschwunden war, Johnna Phillips, war nie ein Mitglied dieser Kirchengemeinde gewesen,
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