Montana 04 - Vipernbrut
das Essen wirklich gut und preiswert war.
Sie setzten sich und gaben ihre Bestellung auf, noch bevor Sandi an ihrem Tisch vorbeikam. Als sie Pescoli erblickte, blieb sie abrupt stehen und blickte sie besorgt an. »Ich nehme an, es gibt Neuigkeiten?«
»Noch nicht.«
»Verflixt!« Sie schüttelte den Kopf und kniff die Augen mit den metallicgrün geschminkten Lidern zusammen - passend zur Jahreszeit. »Dann sollten Sie besser mal Ray überprüfen, den Ex-Mann. Brenda und er hatten eine heftige Auseinandersetzung wegen der Jungs. Er will das volle Sorgerecht, genau wie sie. Die beiden treffen sich ständig vor Gericht. Er war sogar so dreist, bei der Polizei anzurufen, um Anzeige zu erstatten, weil er seine Kinder nicht erreichen konnte, außerdem hat er Brenda das Jugendamt auf den Hals gehetzt, um zu beweisen, dass sie nicht in der Lage sei, die Kinder angemessen zu versorgen! So ein Unsinn!« Sandi schnaubte empört. »Das ist ein ganz mieser Kerl!« Sie nickte, wie um ihre eigenen Worte zu bekräftigen, dann deutete sie mit einem rot lackierten Fingernagel auf Pescoli. »Wenn Sie mich fragen, dann war sie viel zu gut für ihn, und das wusste er! Ich habe ihn nie gemocht. Ein echter Versager.«
»Sind sie das nicht alle? Die Ex-Männer, meine ich?«, fragte Pescoli, und Alvarez nahm an, dass sie an ihren eigenen dachte.
»O ja, sicher, die meisten ganz sicher! Meiner zählt auch dazu.« Sie schürzte nachdenklich die tiefroten Lippen. »Obwohl Connie Leonetti gut mit ihrem Ex auskommt. Sie backt sogar Plätzchen für ihn und für seine Mutter, und darin ist kein Arsen oder sonstiges Gift versteckt. Aber vermutlich ist das die absolute Ausnahme.« Ohne zu lächeln, fuhr sie fort: »Ich hoffe nur, Sie finden Brenda, und zwar nicht nur, weil ich ohne sie Doppelschichten arbeiten muss. Sie ist wirklich eine ausgesprochen liebenswerte Frau, und wenn ich an ihre beiden Jungen denke … sie vergöttert sie förmlich.« Sandis Unterlippe zitterte leicht, und Alvarez wünschte, ihr fiele etwas ein, was sie sagen könnte, irgendein Trost, doch es gab keinen.
Sandi räusperte sich und straffte die Schultern. »Wie ich schon sagte: Meiner Meinung nach steckt Ray Sutherland dahinter. Er wollte die Scheidung nicht und war gar nicht glücklich über das Sorgerechtabkommen. An Ihrer Stelle würde ich ihn gründlich unter die Lupe nehmen. Äußerst gründlich.« Ihr Blick fiel auf einen Tisch, der noch nicht abgeräumt war, und sie eilte schnellen Schrittes davon, wobei sie sich geübt durch die dicht stehenden Tische schlängelte. Fingerschnipsend näherte sie sich dem lustlosen Hilfskellner, einem pummeligen Teenager, der für Sandis Geschmack offenbar nicht schnell genug mit Wischlappen und Trockentuch umging.
Doch vermutlich konnte niemand ihre Ansprüche erfüllen.
Was Ray Sutherland anbelangte, so hatten sie sich bereits heute früh mit ihm unterhalten. Der Lastwagenfahrer schien gerade erst auf gestanden zu sein, als sie an seine Tür im ersten Stock eines L-förmigen Wohnblocks geklopft hatten. Er zählte zu der mürrischen Sorte, hatte einen leichten Bierbauch und brauchte dringend eine Rasur, doch er schien ernsthaft überrascht, als sie ihn nach seiner Ex-Frau fragten.
Hatte er nervös gewirkt?
Vielleicht.
Alvarez war aufgefallen, dass er sich wiederholt mit einer Hand durch sein stumpfes braunes Haar gefahren war, das ihm nach dem Schlafen wirr vom Kopf abstand.
»Natürlich habe ich keinen blassen Schimmer, wo sie stecken könnte«, hatte er verwirrt behauptet. »Warum?«
»Weil sie nicht zur Arbeit erschienen ist. Zu Hause ist sie auch nicht, außerdem hat man ihren verlassenen Wagen auf dem Seitenstreifen gefunden.«
Er riss erschrocken die Augen auf, seine Morgenmuffelempörung verschwand. »Mein Gott! Was ist passiert?«
»Genau das versuchen wir herauszufinden«, teilte ihm Pescoli mit. »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir reinkommen?«
Widerwillig ließ er sie in seine chaotische Wohnung, fegte ein paar Zeitungen, Kleidungsstücke und eine zusammengeknüllte Decke von der durchgesessenen Couch, damit Alvarez Platz nehmen konnte, während Pescoli an der Tür stehen blieb. Die Jalousien waren heruntergelassen. Sutherland zog den Gürtel seines gestreiften Bademantels enger um seinen Bauch und machte es sich auf einem Kunstledersessel bequem, der schon bessere Tage gesehen hatte.
Er beantwortete ihre Fragen und schrie dann und wann seinen Söhnen zu, sie sollten sich für die Schule fertig machen. Als
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