Montana 04 - Vipernbrut
denke nur an die vielen Cha-nukka-Leuchter! Oder … oder … an die Buddhisten oder Hindus. Die feiern doch auch! Nur darum geht es, man möchte feiern, egal an welchen Gott man glaubt, und ich bin nun mal Christin.« Sie deutete mit dem Finger auf Pescolis Nase. »Ein bisschen festliche Dekoration, Plätzchen und Musik tun niemandem weh. Vom Weihnachtswichteln möchte ich gar nicht anfangen. Wenn du mich fragst, dann stimmt wirklich etwas nicht, und zwar bei dir! Was hast du gegen ein bisschen Spaß einzuwenden? Gerade du müsstest doch wissen, wie wichtig es ist, vor allem in dieser Zeit ein bisschen Munterkeit zu verbreiten!«
Noch bevor Regan etwas erwidern konnte, stürmte Joelle davon, die Absätze ihrer roten Stiefel klackerten zornig durch den Gang in Richtung Aufenthaltsraum, wo sie von den übrigen Kollegen vermutlich sehnsüchtig erwartet wurde. Fast meinte Pescoli, eine Rauchwolke zu erkennen, die hinter ihr herwehte.
»Jetzt hat sie’s Ihnen aber gegeben!«, stellte Grayson fest, obwohl er sich alle Mühe gab, das amüsierte Funkeln in seinen Augen zu verbergen.
»Trotzdem habe ich recht! Dieses Weihnachtsgetue muss aufhören! Ich finde, sie übertreibt es einfach damit.«
»Na schön, ich werde darüber nachdenken, aber auch an dem, was Joelle sagt, ist etwas dran. Sie sollten wirklich versuchen, ein bisschen fröhlicher zu sein!«
»Aber sicher, ich werde mir Mühe geben. Aber erst, wenn ich diesen Irren, der Frauen einfriert, hinter Schloss und Riegel gebracht habe.« Sie reckte trotzig ihr Kinn vor, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte in Richtung ihres Schreibtischs, wobei sie auf das dramatische Getue a la Joelle verzichtete.
Grayson stieß langsam die angehaltene Luft aus. »Manchmal «, sagte er gedehnt und verschwand mit dem Hund in seinem Büro, »habe ich den Eindruck, das hier ist eher ein Affenstall als ein Polizeidezernat.«
Pescoli war schlecht gelaunt, seit sie ihre nackten Füße um fünf Uhr früh auf den kalten Schlafzimmerboden gesetzt hatte, sehr viel früher als sonst. Sie hatte keine gute Nacht hinter sich. Gegen Viertel nach zehn - sie hatten gerade sämtliche Familienpflichten hinter sich gebracht - hatte Jeremy verkündet, dass er sich den Dreiundzwanzig-Uhr-Film im Kino ansehen würde, irgendeinen neuen Action-Streifen, der während der Vorweihnachtszeit lief. »Du machst wohl Witze«, hatte sie protestiert. »So spät! Du hast morgen Unterricht!«
»Morgen ist Freitag. Da passiert eh nicht viel.« Er war in seine Jacke geschlüpft und hatte seine Mütze aufgesetzt.
»Nur ein Seminar.«
»Um acht Uhr früh!«
»Na und?«
»Es ist schon Viertel nach zehn!«
»Ich gehe aufs College, Mom, da schreibt keiner auf, ob ich da bin oder nicht.«
»Aber hast du nicht Semesterabschlussprüfungen?«
»Darum habe ich mich schon gekümmert. Entspann dich!«
Ohne sich von ihren Argumenten beeindrucken zu lassen, hatte er den Reißverschluss seiner Jacke hochgezogen, die Schlüssel eingesteckt und das Haus verlassen. Kurz darauf hatte sie gehört, wie der Motor seines Pickups ansprang und die Reifen knirschend durch den dicken Neuschnee rollten. Pescoli hatte im Durchgang zur Küche gestanden und seine Scheinwerfer in dem dichten Flockenvorhang verschwinden sehen. Bianca, die auf der Couch lag und fernsah, wie immer das Handy in der Hand, hatte die Augen verdreht. »Er ist erwachsen, Mom.«
»Unter >erwachsen< verstehe ich etwas anderes.«
»Hm. Mag sein. Vor dem Gesetz ist er es jedenfalls. Er darf sogar wählen.«
»Beängstigend.«
Bianca hatte einen Blick Richtung Küche geworfen, während Cisco auf die Couch gesprungen war und sich zu ihr gelegt hatte. »Vielleicht passt du dich einfach der Meinung des Gesetzes an, und wir haben wieder Frieden zu Hause.«
»Wie nett, Bianca. «
»Mom, ständig mischst du dich in seine Angelegenheiten ein. Ich kann gar nicht verstehen, warum er immer noch hier wohnen möchte.«
»Weil er sich keine eigene Wohnung leisten kann.«
»Nun, das ist lahm. An seiner Stelle würde ich ausziehen, und an deiner Stelle würde ich ihm das Geld dafür geben!«
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder einer unglaublich wichtigen SMS zu, während die Real Housewives in Minikleidchen und High Heels auf dem Bildschirm herumzappelten, dass ihre Haarverlängerungen wehten.
»Schätze, ich bin’s leid«, gab Pescoli zu.
»Ähm - ja!«
»Das solltest du eigentlich gar nicht wissen.«
»Dann sag’s nicht.«
Ja, der Abend lief
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